Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
hysterisch waren? Irgendwie plemm? Genetischer Defekt?
Beim Frühstück war Heike wieder happy. Sie hatte Croissants eingekauft, und als ich loszog, bebte ich vor Entschlossenheit. Heute, das sagte ich mir, erzwingst du den Erfolg!
Bei der Arbeiterwohlfahrt in der Arndtstraße mußte ich fast anderthalb Stunden lang warten, auf dem Flur, zwischen hustenden Gastarbeitern, bis ich in ein Büro gerufen wurde, wo mich eine Frau namens Perlacher begrüßte, mit dem Bariton einer geübten Raucherin.
Woher, wohin, weshalb, wozu, dieser ganze bürokratische Krempel war binnen kürzester Zeit erledigt, und als ich den Bau verließ, besaß ich die schriftliche Bestätigung, daß die Bielefelder Arbeiterwohlfahrt mich als Zivi engagieren wolle. Für den Bürodienst. Am 4. Januar könne ich loslegen. 523 Mark würde ich verdienen, monatlich, und die Miete würde übernommen, ebenso wie die Kosten einer Dauerkarte für den Bus.
Doot-in’ doo-doo,
Feelin’ groovy …
Die Sonne schien, und alles war auf einmal leicht. Ja, liebe Zuschauer, noch steht die Fußgängerampel auf Rot, und auf dem Bürgersteig versammeln sich die Teilnehmer des Wettlaufs – zwei, drei junge Damen, eine davon gehandicapt, weil sie sich gerade eine Zigarette ansteckt, daneben ein älterer, sicherlich chancenloser Herr und eine ebenso chancenlose Mutti mit einem Gör an der Hand, und ganz rechts sehen Sie Martin Schlosser, den Favoriten, der es gewohnt ist, jedes Rennen für sich zu entscheiden … jetzt nähern sich von hinten zwei Herren mittleren Alters, und die Ampel springt für die Autos auf Gelb um … und auf Rot … es kann sich nur noch um Sekunden handeln – da! Grün für die Fußgänger! Und Martin Schlosser liegt bereits nach den ersten Schritten klar in Führung … die Verfolger sind weit abgeschlagen … nein, jetzt holt die Raucherin auf! Mit raschen Schritten strebt sie aufs Ziel zu, den gegenüberliegenden Bürgersteig, doch wie es aussieht, wird sie Martin Schlosser nicht mehr einholen können, denn ihm fehlen nur noch gut drei Meter bis zum Ziel … und wir kennen ihn ja, diesen Sieg wird er nicht mehr verstolpern! Noch anderthalb Schritte – und – geschafft! Er ist als erster drüben! Frenetischer Jubel im Bielefelder Innenstadt-Stadion! Und wenn für die Siegerehrung auch keine Zeit bleibt, so freuen wir uns doch alle über diese neueste Meisterleistung unseres Olympioniken …
Mit einer weiteren Bouteille Lambrusco mochte ich Heike nicht unter die Augen treten.
I’m dappled and drowsy and ready to sleep …
Ich kaufte eine Flasche Sekt. Die stellte ich in den Kühlschrank, und dann legte ich mich nackt ins Bett und streckte mich lang aus.
Heike weckte mich, indem sie mir an die Stirn tippte.
»Hey, Schlosser! Sag mal, hast du wirklich Faber-Sekt gekauft?«
»Ja, warum?« Ich rieb mir den Schlaf aus den Augen.
»Warum! Weil’s auf der ganzen Welt keinen schlechteren Sekt gibt.«
O Heike! »Und du fragst dich nicht, wieso ich den gekauft hab?«
»Jetzt sag bloß, du hast ’ne Stelle!«
Man konnte deutlich sehen, wie die sprichwörtliche Zentnerlast von Heikes Schultern fiel.
Bevor ich nach Meppen zurückfuhr, ließ ich mich auch in Sennestadt blicken. Onkel Edgar war zu einer Baustoffhandlung weg, und Tante Gertrud wollte zum Chor, aber für einen Kaffee hatte sie eben noch Zeit.
Ich beschränkte mich auf eine Kurzfassung meiner Abenteuer mit den Staatsorganen und den Bielefelder Personalabteilungsleitern. »Und ein praktischer Nebeneffekt wäre ja der, daß ich auch Oma öfter besuchen kann, wenn ich hierhergezogen bin …«
»Ja, wo willst du dann denn wohnen?«
»Ach, ich such mir irgendwo ’n Zimmer in ’ner Wohngemeinschaft …«
»Na, da wünsche ich dir Glück!«
Eine Schrecksekunde lang schien sie gedacht zu haben, daß ich vorhätte, bei ihr und Onkel Edgar einzuziehen. Von meiner künftigen WG hatte ich allerdings doch etwas andere Vorstellungen.
Bei Oma Schlosser machte ich’s noch kürzer ab. Ich kriegte Fieberknorpel in diesem Altersheimklima. Schallschluckende Teppichböden, gedämpftes Geschirrklappern, eingefallene Wangen, Stickluft, Süßstoff, Handarbeiten, Leisetreter auf den Korridoren, und jeder Wandschmuck sah nach Sterbehilfe aus.
In Meppen regte Papa sich darüber auf, daß ich schon wieder in die Badewanne ging. Und wozu – wenn man fragen durfte – hatten wir dann eine? Diente die etwa nur als Statussymbol?
Mama hatte Oma Jever nach Bonn gebracht und war mit brandneuen
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