Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
Klänge.
Dann stand plötzlich Mama in der Tür: Was ich denn hier zu rascheln hätte? »Schon mal was von Nachtruhe gehört?«
Am Morgen hatte ich 39,5° Fieber. Der von Mama herbeitelefonierte Hausarzt verordnete mir Kapseln mit dem neckischen Namen Rhinotussal und schrieb mich von Montag bis Donnerstag krank. Grippaler Infekt.
Ich versuchte mich mal an einem von Mamas Romanen. John le Carré: »Der Spion, der aus der Kälte kam«. Leamas, ein geschaßter britischer Agent, verkommt zum haltlosen Säufer, was aber nur vorgetäuscht ist, zur Irreführung der östlichen Geheimdienste, die glauben sollen, sie könnten ihn als rachsüchtigen Überläufer anwerben. Dann sitzt er als Doppelagent in der DDR und merkt erst viel zu spät, daß seine Londoner Auftraggeber ihn ans Messer liefern wollen: Er soll von einem wichtigeren Doppelagenten entlarvt werden, weil der eine Jagdtrophäe vorweisen muß, um seine eigene Position zu festigen.
In diesem Intrigenspiel gingen beide Seiten über Leichen.
In Polen hatte das Militär die Macht an sich gerissen, und man sah wieder den General Jaruzelski mit seiner Putschistenbrille und dem Nußknackerkiefer agieren.
Und eine Inlandsnachricht: Karl-Heinz Hansens Widerspruch gegen seinen Parteiausschluß war abgewiesen worden. Hansen behielt aber sein Bundestagsmandat. Wie sie den jetzt wohl auf allen Fluren schnitten, die sozialdemokratischen Parlamentarier!
Meine Anrufe bei Heike standen unter keinem guten Stern. Entweder war sie nicht da oder geknickt wegen der räumlichen Distanz zwischens uns oder gefrustet von der Uni oder sauer auf die Bildungspolitiker oder wütend aufs Patriarchat oder gerade auf dem Sprung ins Nachtleben.
»Und was wünschst du dir zu Weihnachten?«
»Daß du nach Bielefeld ziehst.«
In John le Carrés Roman »Schatten von gestern« spielte der traurige Spion George Smiley die Hauptrolle.
Klein, dick und von ruhiger Gemütsart, schien er eine Menge Geld für wirklich miserable Anzüge auszugeben, die auf seinem viereckigen Gestell wie die Haut einer verschrumpelten Kröte wirkten.
Seine Frau war mit einem kubanischen Autorennfahrer durchgebrannt, und als sie von dem genug hatte, machte sie Smiley wieder Avancen, doch das Vergeben und Vergessen fiel ihm schwer:
Kein Traum konnte das Tageslicht von Anns Abreise mit ihrem zuckersüßen Lateinamerikaner und sein Orangenschalengrinsen überleben.
Mich hatte zwar noch keine Frau mit einem anderen Mann betrogen, aber so mußte sich das wohl anfühlen.
Nach drei Tagen war ich so weit genesen, daß ich wieder gehen konnte. Zumindest im Haus.
Mit der Spiegelreflexkamera, die er sich für die Weltreise angeschafft hatte, fotografierte Papa Spinnen in den Kellerfensterschächten, während Mama am Eßtisch saß und Karten schrieb.
Liebe Tante Hanna! Zum Weihnachtsfest senden wir Dir und Fräulein Kunze herzliche Grüße! Richard will während der Feiertage anrufen und etwas mehr von uns erzählen. Studium, Zivildienst, Schule, Enkelkind – es kommt immer einiges zusammen. Hoffentlich geht es Dir gesundheitlich so gut, daß Du vor einem langen, schneereichen Allgäuwinter keine Angst haben mußt. Damit der Schal sich in dem Päckchen nicht so einsam fühlt, hat Wiebke noch eine Kostprobe der von ihr selbst hergestellten »Schoko-Crossies« beigefügt …
Dafür, daß »immer einiges« zusammenkam bei uns, war unterm Strich allerdings erbärmlich wenig los in der Meppener Dammstraße.
Mama fuhr nach Lingen zur Brustkrebsvorsorge-Untersuchung. Auch so eine Perfidie des Schöpfers, dieser Brustkrebs.
Nach meiner Gesundung mußte ich beim DRK die Autos waschen, und dann hatte ich Wochenenddienst von Sonnabendmittag bis Sonntagfrüh um acht. Alkohol war aus naheliegenden Gründen verboten. Ich holte mir einen großen Pott Kaffee und machte mir’s in einem der Separées mit meiner literarischen Neuerwerbung gemütlich, Günter Wallraffs drittem Buch über die Bild -Zeitung.
Da war der Fall eines suspendierten Berliner Oberschulrektors: Er nimmt sich das Leben, Bild veröffentlicht erstunkene und erlogene Zitate aus seinem Abschiedsbrief ( »Die Intrigen kommunistischer Lehrer treiben mich in den Tod«), der Sohn schreibt eine Gegendarstellung, und die Rechtsabteilung des Springer-Verlags weigert sich, sie abzudrucken:
Nach ständiger Rechtssprechung ist der Gegendarstellungsanspruch von höchstpersönlicher Art. Er kann demzufolge nur von dem Betroffenen persönlich geltend gemacht werden. Im vorliegenden
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