Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
Ankerplatz.
»Setz dich mal richtig hin«, sagte Roswitha Schrimpf, als ich einmal mit einem Fuß unterm Hintern auf meinem Stuhl saß, und als Melanie Pape wiederkam, setzte Frau Katzer Roswitha Schrimpf neben Heike Zöhler. Die beiden wurden Busenfreundinnen, und ich hatte keine Chance mehr.
Jetzt kapierte ich erst, was Liebeskummer war und weshalb Charlie Brown immer so unglücklich war wegen dem kleinen rothaarigen Mädchen.
Frau Katzer wollte ein Theaterstück über die Schildbürger mit uns aufführen. Wer Lust hatte, mitzumachen, sollte sich melden. Roswitha zeigte auf. Ich auch.
Schicksalsmelodie.
Für das Treffen am Nachmittag in der Klasse sollten wir uns neue Schildbürgerstreiche ausdenken. Ich überlegte mir, daß einer von den Schildbürgern in das Rathaus, das sie aus Versehen ohne Fenster gebaut hatten, eine Katze mitbringen will. Katzenaugen leuchten in der Dunkelheit, und dann ist es hell im Rathaus, sagt der Schildbürger, aber die anderen sagen, wenn es hell ist, leuchten die Katzenaugen nicht mehr, und es ist wieder dunkel, deshalb holen sie dann doch keine Katze ins Rathaus.
Von Frau Katzer kriegte ich ein Lob für diesen Einfall, aber Roswitha Schrimpf war nicht gekommen, und da ging ich auch nicht mehr hin.
Als Stephan Mittendorf Geburtstag hatte, gab Mama mir einen Strauß Dahlien aus dem Garten mit. »Und benimm dich!«
Wir spielten Stadt-Land-Fluß, wobei Oliver Wolter immer gewann, weil der das irgendwann für jeden Buchstaben auswendig gelernt hatte, sogar für Ypsilon. Stadt: Yokohama, Land: Yemen, Fluß: Yellowstone River, Pflanze: Yamswurzel, Tier: Yak, Name: Yvonne, Beruf: Yuccapalmenzüchter.
Ich hatte was ins Auge gekriegt. »Immer zur Nase hin reiben«, sagte Frau Mittendorf. Das merkte ich mir.
Dann wurde Taler, Taler, du mußt wandern gespielt, was zum Einschlafen war. Schön in der Patsche saß Oliver Wolter beim Teekesselraten. Er kam nicht drauf, daß mein Teekessel das Garagentor war und Stephans Teekessel der Tor als anderes Wort für Narr, und Oliver Wolter sagte, das sei kein echter Teekessel. Der Tor, das spreche man anders aus als das Tor, nämlich mit kurzem o, also nicht Tor, sondern Torr.
Oliver Wolter, der alte Spielverderber. Der war so doof, das ging auf keine Kuhhaut.
Beim Versteckspielen fand mich keiner, weil ich in den Wohnzimmerkamin gekrochen war, aber das hätte ich besser gelassen, weil ich danach die Sesselpolster mit Ruß vollsaute. Alles war schwarz beschmiert, und ich versprach Frau Mittendorf, ihr mein ganzes Geld zu geben, aber sie sagte, die Reinigungskosten seien viel zu hoch. »Das kannst du gar nicht bezahlen!«
Mama mußte die Sache dann wieder einrenken.
Sie sei mit mir nun bald am Ende ihrer Weisheit, sagte Mama.
Wir kriegten unsere eigenen Beete, jedes einen Quadratmeter groß, wo wir säen und pflanzen durften, was wir wollten: Renate Rosen, Volker Ziermais und Wiebke Vergißmeinnicht. Ich selbst wollte eine Höhle bauen. Im Beet eine Grube ausheben, Bretter drüber, Erde drauf, eine Einstiegsluke freilassen und dann unten in der Höhle sitzen, aber damit kam ich nicht durch. Mama sagte, ich sei nicht ganz gar gebacken. Zwiebeln pflanzen sollte ich in meinem Beet. »Da bricht dir schon kein Zacken aus der Krone.«
Zum Geburtstag kriegte Wiebke eine Handtasche, einen Pullover, einen roten Hosenanzug und einen Pinguin mit Ringen zum Drüberwerfen.
Ich riet Wiebke, sich zum Mittagessen einen Guglhupf zu wünschen, wie den, den Frau Waas im ersten Kapitel von Jim Knopf und die Wilde 13 serviert hatte, weil ich dachte, das sei ein Geflügelbraten, aber Mama klärte mich darüber auf, daß das ein Kuchen sei, und ich war völlig von den Socken.
Was Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer in China essen sollten, waren Ameisenklößchen auf Schneckenschleim, gesottene Wespennester mit Schlangenhaut in Essig und Öl, Seidenraupen mit weichgekochten Igelstacheln oder zarter Salat aus Eichhörnchenohren.
Dann lieber dicke Bohnen.
Wir waren noch beim Essen, als Stephan Mittendorf klingelte. Er wartete dann in meinem Zimmer, bis wir den Nachtisch aufhatten.
Als ich reinkam, las mir Stephan Mittendorf vor, was ich Roswitha Schrimpf geschrieben hatte. Liebe Roswitha! Ich liebe Dich über alles und möchte Dein Freund werden. Dein Martin.
Das Blatt hatte er im Schiebeschrank ausgegraben, und jetzt mußte ich mir blitzartig was ausdenken.
Das sei mein Bruder gewesen, rief ich. Volker, der Arsch!
Fälscht einen Liebesbrief und legt ihn
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