Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
Glückstag.
Als ich schon im Bett lag, kam Renate rein und erzählte mir was von einem Liebespaar, das sich umarmt und küßt. Zwischendurch kuckte sie nach, ob ich von der Geschichte einen steifen Pimmel gekriegt hatte.
»Aber behalt das für dich«, sagte Renate.
Im Wambachtal spielten Michael Gerlach und ich, daß wir Kettensträflinge wären, auf der Flucht vor der Polente und deren Bluthunden, wie in dem Film, in dem die entflohenen Sträflinge vor Hunger einen Frosch gebraten und gefressen hatten, aber das mit dem Frosch ließen wir weg.
Im Zweiten kam ganz spät eine schweinische Sendung, die Renate kucken wollte. Das sexte Programm. Ich war hundemüde und bei dem Film davor schon dreimal eingeschlafen, aber bis zum sexten Programm wollte ich aufbleiben. Und dann schlief ich doch wieder ein. Alles, woran ich mich morgens noch erinnern konnte, waren zwei dicke Frauenbrüste, die in Zeitlupe bei Glockengeläut zusammengeprallt waren. Daß wir das gekuckt hatten, mußte ich vor Mama und Papa geheimhalten, genauso wie das mit der Gutenachtgeschichte.
Herr Winter spülte sein Auto in der Einfahrt mit dem Schlauch ab, und ich sah zu, wie das Wasser durch den Rinnstein vor unserem Haus zum Gully floß.
Renate war jetzt mit der Brillenschlange Rüdiger liiert, fuhr aber ohne ihn mit Tante Dagmar, Tante Grete und Gustav für drei Wochen nach Castelldefels in Spanien.
In der Tagesschau konnte man den Bankräuber Rammelmayr tot auf der Straße liegen sehen, von Polizeischarfschützen erschossen.
In Bruchköbel war eine neue Kusine zur Welt gekommen, meine elfte. Vettern hatte ich erst sieben. Drei Onkel und sechs Tanten, einen Bruder und zwei Schwestern. Ein jüngerer Bruder wäre auch nicht schlecht gewesen. Zur Not auch noch eine zweite Schwester, so wie im Fernsehen: Drei Mädchen und drei Jungen. Plus Haushälterin und Hund.
»Das kannst du dir aus dem Kopf schlagen«, sagte Mama.
Damit wir von der Terrasse zur Schaukel konnten, hatte Papa Steinplatten in den Rasen eingepaßt, von dem noch nicht viel zu sehen war. Ich übersprang immer gleich zwei, und einmal landete ich mit der Hacke im Rasen, in letzter Sekunde vor der Abfahrt nach Jever. Mit dem Hintern umschmeißen, was andere mit den Händen aufgebaut hätten, das sei mein Spezialgebiet, sagte Papa. »Kannst du nicht besser aufpassen auf deine Kackstelzen?«
In der Mühlenstraße 47 hing ein Schild an der Haustürklinke: Wir sind im Garten! Das machte Mama wütend. »Wie kann man nur! Da weiß doch jeder Einbrecher, daß er freien Eintritt hat!«
Als erstes raufte ich mich mit Volker, wobei keiner von uns gewann. Beim Händewaschen vorm Abendbrot sagte er, unser Kämpfchen sei ihm ein Hochgenuß gewesen.
Oma und Opa waren ein Stockwerk tiefer gezogen, in die Wohnung von Frau Apken, die in ein Heim gekommen war. Geistig umnachtet und bloß noch ein Klappergestell. »Sitzt da, muß mit dem Löffel gefüttert werden und erkennt keinen mehr, nicht mal mich«, sagte Oma. »Streicht sich hundertmal in der Minute den Rock glatt und sagt: Guten Tag, guten Tag, auch wenn sie ganz alleine ist. Die arme Frau!«
Oben wohnte jetzt eine Familie mit zwei kleinen Kindern. Tjark und Gesche. Die waren mehr Wiebkes Kaliber.
Weil im Fernsehen nur Schrott kam, wurden alte Alben bekuckt. Mama erklärte, wer wer war. Opa als Soldat und unser zwei Meter langer Urgroßopa, der sich mit dem Arm an die Regenrinne lehnen konnte. Wenn die Kinder Zwieback gekriegt hatten, sei er nach draußen gerannt: »Lot mi rut, Tweeback-Knacken geiht los!«
In Moorwarfen hatte Mama einen Mitschüler gehabt, der für zwanzig Pfennig Fröschen den Kopf abgebissen hatte.
Und Frau Siebels mit ihren acht Kindern, die sie abends vom Küchenfenster aus zusammenrufen mußte: »Tille, Heino, Käti, Werner, Siegfried, Anton, Otto, Aaaaadolf!«
Im Krieg dann jede dritte Nacht der Tommy. Ausgebombte Nachbarn und im Winter der kegelförmige, hartgefrorene Kackhaufen im Plumpsklo, das sei nicht mehr feierlich gewesen. Oder die Inflation, als ein Brot eine Million Mark gekostet hatte und ein paar Tage später schon eine Milliarde.
In Jever durfte man die Badewanne nur so weit einlaufen lassen, daß man in einer Pfütze Wasser saß. Der Schwamm hing an einem Faden mit roter Holzkugel dran. Auf dem Wannenboden klebte eine Gummimatte mit Saugnäpfen, und nach zehn Minuten scheuchte Oma einen wieder raus aus der Wanne.
Das Gästeschlafzimmer war im Keller. Das Fenster hatte eine Milchglasscheibe, gegen
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