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Alle Vögel fliegen hoch

Alle Vögel fliegen hoch

Titel: Alle Vögel fliegen hoch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Seul
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Gewehr nicht aus den Augen ließ.
    »Mama! Der tut dir nichts! Den kenne ich schon! Der ist ganz lieb!«, rief Sarah und erklärte mir: »Meine Mama hat total Angst vor Hunden. Ich hab keine Angst. Aber meine Mama ist mal gebissen worden, als sie klein war, das war ganz schlimm.«
    »Von so einem«, Sarahs Mutter streckte den Arm aus, »schwarzen Hund, großen schwarzen Hund, von genau so einem«, keuchte sie.
    »Das ist er aber nicht, ehrlich«, sagte ich und wagte einen Scherz. »Auch keine Reinkarnation.« Erst mal die Spannung herausnehmen. Es wenigstens versuchen. Deeskalation. Und unauffällig nach meinem Handy fingern. Die Kamera einschalten.
    »Wos woin Sie?«, wollte der Opa wissen und ging langsam auf mich zu. Das Gewehr wippte beiläufig in seiner Hand, eigentlich war er damit verwachsen, wie starke Raucher mit ihren Zigaretten. Ich würde beim Kommissar nachfragen, ob Herr Rudi einen Waffenschein besaß. Als hätte er meine Gedanken gelesen, lehnte er die Waffe an seinen Mercedes. War das noch immer gefährlich? Wenn sie umkippte!
    Ich atmete vorsichtig auf. »Ich wollte zu Ihnen«, sagte ich; stolz, weil meine Stimme nicht zitterte.
    »Ich wüsst’ nicht, zwengs wos!«
    »Zwengs dem Austragshäusl von den Widmanns. Ich glaub, Sie ham was dagegen, wenn ich dort einzieh. Also wollt ich Ihnen sagen, dass mein Hund sehr gut folgt und Ihre Enkelin und auch andere Kinder bestimmt nicht gefährdet,
ganz im Gegenteil, er kann sie beschützen, wenn sie zum Beispiel ausreiten oder …«
    »Des ist mir doch wuascht, wen Ihr Hund zambackt.«
    »Eben nicht.«
    Der Opa kreuzte die Arme vor der Brust.
    »Ich hab gedacht, wegen dem Hund krieg ich das Haus nicht, obwohl es mir die Widmanns vielleicht gegeben hätten. Die hatten doch auch mal einen …«
    »Da Rex war’a oida Dackl!«
    »Mein Flipper kann auch dackeln! Flipper, Kugel!«, rief ich, und er rollte sich klitzeklein zusammen.
    Sarah klatschte in die Hände.
    »Sarah, komm zu mir!«, rief die Mutter.
    Sarah kitzelte die Flipperkugel.
    Der Opa zeigte sich nicht beeindruckt von diesem Kunststück.
    »Wollte da nicht der Walter einziehen?«, meldete sich Sarahs Mutter. Sie hatte ihre Handtasche mittlerweile spitzfingrig eingeräumt, als wären die Gegenstände kontaminiert.
    »Ko scho sei.«
    »Ach, Sie wissen einen anderen Mieter!«, rief ich überrascht.
    »Dem müssen Sie eben auf’m Weg begegnet sein«, sagte Sarahs Mutter.
    Aus der Traum! So schnell! So brutal! So einfach. Ein anderer Mieter!
    »Mia fahn, Bapa«, sagte die Mutter und fragte mich: »Also ich gehe jetzt an dem Hund vorbei. Ist das in Ordnung?« Es klang wie eine Mutprobe auf Leben und Tod.

    »Sicher«, sagte ich benommen. Ich musste das erst mal verdauen. Es lag nicht an mir oder an Flipper. Es lag an einer dritten Macht, auf die ich keinerlei Einfluss hatte.
    »Ich will nicht, ich will nicht, ich will nicht!«, brüllte Sarah. »Heute lässt der Opa die Polly fliegen, da muss ich dabei sein, Mama. Bitte! Und den Schlag müssen wir auch noch saubermachen!«
    »Du kommst jetzt mit.«
    »Nein! Du hast es versprochen!« Wild schüttelte Sarah den Kopf, und ihr brünetter Pferdeschwanz peitschte ihr Gesicht.
    »Ich habe gar nichts versprochen.«
    »Doch, das hast du.«
    »Und du hast versprochen, dass du dich um dein Pferd kümmerst und nicht mehr heulst, wenn eine ausbleibt. «
    »Zur Bella können wir doch später, Mama, bitte, bitte, bitte, der Opa fährt mich bestimmt, Mama bitte, ich muss dabei sein!«
    »Bittschön Sabine!«, mischte sich der Opa ein. Wie flehentlich er klingen konnte.
    »Bapa, des hamma doch ausführlich besprochen.«
    »Aba wenn sie doch nicht gern reit’!«
    »Alle Mädchen reiten gern!« Die Mutter packte die Hand ihrer Tochter und schleifte sie zum Kangoo.
    Betroffen schaute der Opa ihnen nach. Als seine Tochter anfuhr, wendete er sich mir zu.
    »Gibt’s no wos?«, ranzte der wahnsinnig nette Tauben-Rudi.
    »Also ist das sicher?«, fragte ich. Ich wollte es einfach mal
klar und deutlich hören. »Dass jemand anders bei den Widmanns einzieht?«
    »Ja mei, wos is scho sicha?« Ohne ein weiteres Wort ging er zu seinem Haus, schnappte sich im Vorübergehen die Flinte, und ich konnte mir sehr gut vorstellen, dass er bestens mit Herrn Widmann befreundet war, wenn ich auch keine Ahnung hatte, wie sie sich unterhielten, vielleicht brummten sie sich guttural zu, während sie sich mit zinnernen Krügen voller Doppelbock zuprosteten.
     
    »Fuß«, befahl ich Flipper an meine

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