Alle Vögel fliegen hoch
wendete sich dann an mich: »Frau Fischer, ich komm zu Ihnen.«
Claudia seufzte knarzend. Ich hätte sie sofort entlassen. Ich hätte sie nicht mal eingestellt. Viel zu unsportlich. Aber auf Steuerzahler hört ja niemand.
»Ist das in Ordnung für Flipper?«, erkundigte sich der Kommissar.
Er hatte sich seinen Namen gemerkt! Ich nickte.
Claudia hielt Felix am Arm zurück. »Du kannst da nicht rauf! Der Hund!«
»Ich hab keine Angst vor Hunden«, sagte mein Kommissar mit der Betonung auf Ich.
»Das ist viel zu eng da oben!«
»Mal sehen«, gab Felix sich locker, wobei sich der Hochsitz auch locker gesehen nicht ausdehnen würde.
»Das ist …«, versuchte Claudia es noch einmal.
»Der Hund kennt mich«, behauptete der Kommissar.
Das hätte ich sofort bestätigen können. Wenn Flipper in den letzten Tagen auch nur hin und wieder einen Blick in meine Gedanken geworfen hatte, war er dort in der Tat gelegentlich auf das Bild des Kommissars gestoßen. Ich wollte mir wenigstens den Anschein einer Chefin geben und sagte: »Flipper, alles gut.«
Er schaute mich entrüstet an. Nichts ist gut , las ich in seinen Augen.
»Scheißbrombeeren«, fluchte Moppelchen.
Der Kommissar stand vor mir auf der Leiter mit Blick auf meinen Bauchnabel, kam höher. Flipper wich höflich seitlich aus und trat mit einem Hinterlauf ins Leere.
»Flipper!«, rief ich. Ich rief viel zu laut, wir griffen beide zu, griffen beide ins Nichts, weil Flipper sich längst in Sicherheit gebracht und in die Ecke gequetscht hatte. Mein Kopf stieß an den Kopf des Kommissars. Ich neige zu solchen Missgeschicken. Schon immer. Und dann verlor ich auch noch das Gleichgewicht, und wenn der Kommissar mich nicht geistesgegenwärtig gestützt hätte, wäre ich auf Flipper gestürzt, der mich empört anstarrte. Du Trampel , las ich in seinem Blick und gab ihm hundertprozentig Recht. Der Kommissar hielt mich länger als nötig fest. Vielleicht blieb ich auch länger als nötig in seinen Armen, beziehungsweise
an seine Arme gestützt. Leider war mir das nicht bewusst, ich musste das Gefühl später rekonstruieren. Ich erinnerte Kraft und Härte. Einen sehr muskulösen Oberkörper. Den Bizeps hatte ich eigenhändig getestet, daran hatte ich mich festgehalten. Er war viel zu dick für meine Hand und rund und knackig wie ein Granny Smith und die Haut darüber samtig weich. Das schwarze Rippenshirt des Kommissars war an seiner rechten Schulter hochgerutscht; ich hätte gern auch den linken Bizeps überprüft, die meisten Rechtshänder sind rechts stärker, falls er Rechtshänder war.
Felix Tixel lächelte. »Sie haben einen ganz schön harten Schädel«, sagte er, als er mich nach oben schob.
»Danke gleichfalls«, erwiderte ich.
»Felix? Alles okay?«, rief Claudia von unten.
»Ja. Wir kommen jetzt runter.« Er wandte sich mir zu: »Geht das, Frau Fischer? Sie schauen mir recht blass aus.«
»Ich bin … Ich bin …«, mehr brachte ich nicht raus.
»Jetzt steigen wir erst mal runter, Frau Fischer.«
Warum redete er mit mir als wäre ich unzurechnungsfähig? Warum sagte er dauernd Frau Fischer zu mir?
»Kann ich Ihnen irgendwie helfen? Was ist mit Flipper?«
»Ich trage ihn«, sagte ich und erinnerte mich an meine Verantwortung gegenüber meinem Schutzbefohlenen. Ich würde ihn heil runterbringen.
»Dann gehe ich mal vor? Ich stelle mich unten neben die Leiter. Ist das in Ordnung, Frau Fischer?«
Ich hatte einen Knödel im Hals und nickte.
Der Kommissar stand rechts der Leiter, Claudia links davon. Als Erstes schleuderte ich meine Sandaletten runter. Die zweite verfehlte Claudia nur knapp.
»Frau Fischer!«, rief sie empört.
»Tschuldigung.« Das war Absicht behielt ich für mich. »Und Sie müssen nicht dauernd Frau Fischer zu mir sagen. Ich weiß selber, wie ich heiße!«
Rückwärts stieg ich die Leiter drei Sprossen hinunter. Barfuß fühlte ich mich sicherer. Mein himmelblaues Sommerkleid bauschte sich ein wenig im lauen Wind. Klassisch. Bestimmt würde Claudia aufpassen, dass der Kommissar die Glocken unter meinem Rock nicht läutete. »Flipper, komm her«, befahl ich ihm und deutete dann auf meine Schultern. Flipper legte eine Pfote an meine Brust.
»Näher.«
Er rückte auf, ich packte ihn in der Taille, schob meinen Arm unter seinen Po und drückte ihn eng an mich. Seit Freitag hatte er mindestens zwanzig Kilo zugenommen. Meine Beine zitterten.
»Frau Fischer, das machen Sie großartig«, war da die Stimme des Kommissars.
Meine
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