Alle Vögel fliegen hoch
dass ich ihn als Toten gesehen habe, wobei ich ihn da nicht mehr vollständig gesehen habe, ich habe ihn eigentlich nur seitlich gesehen und ziemlich … ramponiert.«
Claudia verdrehte die Augen.
Felix Tixel grinste. »Da ist was dran.«
Spielten sie das guter-Bulle-böse-Bullin-Spiel?
»Und es könnte doch sein«, fuhr ich fort, »dass irgendwo was passiert, zum Beispiel ein paar Testosteronmonster schlagen in der U-Bahn einen Fahrgast zusammen, das ist ja fast schon Alltag«, Claudia hob abwehrend die Hände, ich ließ mich davon nicht beeindrucken. »Eine Kamera zeichnet das auf – und kurz danach laufen Herr Hase und ich durchs Bild, zufällig. Er geht vor mir her, er dreht sich vielleicht sogar um und fragt mich nach dem Weg oder ob ich ein Zweieurostück wechseln kann – ich weiß, das betrifft gar nicht Ihre Abteilung, aber es könnte doch sein, dass Sie gerade Wurstsemmeln besorgt haben, und es sind zwei Stück übrig, und die wollen Sie nicht wegwerfen, weil Ihre Oma Ihnen das beigebracht hat, Essen wirft man nicht weg, also wollen Sie die Wurstsemmeln anderen Kollegen anbieten, die zufällig die Filme von der U-Bahn-Überwachung anschauen und…«
Felix Tixel lachte laut auf und sah dabei sehr sympathisch aus.
Sonnenstrahlenfalten in den Augen.
Claudia verzog genervt die Mundwinkel. »Was ist daran komisch?«
Der Kommissar schnaufte einmal tief durch und sagte dann: »Du bist doch Vegetarierin.«
Claudia zog ein kleines Aufnahmegerät aus der Tasche. »Befragung Franziska Fischer«, diktierte sie.
»Lass stecken«, sagte Felix.
Irritiert folgte sie der Anweisung ihres Chefs.
»Arbeiten Sie immer am Sonntag?«, mischte ich mich ein.
»Zum Glück nicht«, er grinste, »ich habe am Donnerstag recht lang gearbeitet.«
Hitze schoss in meinen Kopf. Am Donnerstag hatte ich ihn angerufen! Ich bückte mich – wie Simon die Röte in seinem Gesicht zu vertuschen versucht hatte – zu meinen Schuhen, die mir der Kommissar zuvor gereicht hatte. Leider gab es dort keinen Schnürsenkel. Ich begutachtete meine Zehen. Zehn Stück. Wie Orgelpfeifen. Alle dran. Appetitliche Häppchen.
»Wir haben das ganze Wochenende Dienst«, ergänzte Claudia fast freundlich. Sie wusste also nichts von meinem Anruf.
»Ich arbeite auch am Wochenende«, sagte ich und tauchte wieder auf. Ich kam mir albern vor, als wollte ich sie durch diese Verschwesterung bestechen.
»Sie ist Yogalehrerin«, sagte Felix zu Claudia, »oder?«
»Ja, auch.«
»Was noch?«, fragte Claudia.
»Dies und das«, sagte ich.
»Was genau?«
»Sport«, erwiderte ich knapp, weil ich den Eindruck hatte, mich verdächtig zu machen, wenn ich den Kampfsport erwähnte. In Claudias Gegenwart war irgendwie alles verdächtig.
Sie ließ nicht locker. »Und Sie bleiben dabei, dass Sie den Toten nicht kennen?«
»Ja, ich bleibe dabei. Also so, wie ich vorhin erläutert habe.«
»Ja, ja«, sagte Claudia genervt, schaute mich dann prüfend, fast ein wenig hinterhältig an. »Und mit Vögeln kennen Sie sich auch nicht aus, oder?«
»Nein, keine Ahnung«, erwiderte ich spontan. Dann hörte ich den Wortwechsel noch mal, als hätten sich die Buchstaben in Vögel verwandelt, die uns umkreisten. Ich hätte schwören können, dass die beiden die Vögel auch sahen. Doch sie verzogen keine Miene.
»Haben Sie ein Fernglas?«, fragte Moppelchen.
»Nein.«
»Sind Sie sicher, Frau Fischer?«, wollte der Kommissar wissen.
»Ja«, sagte ich. Diesbezüglich war ich sicher.
»Wie ist er eigentlich genau gestorben?«, fragte ich auch mal was.
»Stand doch schon längst in der Zeitung«, antwortete Claudia.
»Nur, dass es passiert ist. Nicht, wie es passiert ist«, sagte ich.
»Sonst wüssten die ja mehr als wir«, ergänzte der Kommissar.
»Und wer war’s?«, fragte ich.
»Das würden wir auch gern wissen!«
Moppelchen starrte auf ihre Uhr. Das hatte sie schon dreimal gemacht.
»Können wir dann mal los? Ich bin heute Abend verabredet. Es ist gleich fünf.«
Felix stand auf. »Klar.«
»Und Sie melden sich bei uns auf der Dienststelle. Am besten Sie rufen vorher an, damit ich auch da bin.« Claudia
griff in ihre Jackentasche und zog eine Visitenkarte heraus. »Wir können uns auch auf der PI in Starnberg treffen.«
»Polizeiinspektion«, warf der Kommissar ein.
»Und wenn ich nicht komme?«, fragte ich einfach mal so, und Felix setzte sich nochmal hin. Der Baumstamm war mindestens fünf Meter lang, doch er setzte sich sehr nah zu mir.
»Wenn Sie nicht
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