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Alle Vögel fliegen hoch

Alle Vögel fliegen hoch

Titel: Alle Vögel fliegen hoch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Seul
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kommen, Frau Fischer«, klärte er mich auf, »dann holen wir Sie ab. Ohne Flipper. Unser Ekahaka mag keine Hunde, besonders keine mit zweierlei Augenfarben. Außerdem, Frau Fischer, würden Sie sich dann verdächtig machen. Wir könnten auf die Idee kommen, dass Sie Klaus Hase doch gekannt haben, auch wenn Sie selbst gar nicht mehr wissen, wo und wann Sie ihn gekannt haben, aber er hat Sie vielleicht gekannt. Er hat Sie vielleicht irgendwann irgendwo gesehen, und Sie haben ihm gefallen, und er hat Sie in sein Leben integriert, wovon Sie gar nichts wussten, er jedenfalls könnte behauptet haben, Sie gut zu kennen, und dann müsste man hier von einem Kennen sprechen, auch wenn es nur einseitig stattgefunden hätte, aber das gibt es, und insofern …«
    Mein Herz klopfte bis zum Hals.
    »Felix, jetzt komm!«, verlangte Claudia.
    »Gleich.«
    Sie ging genervt schon mal los. Der Kommissar stützte seine Hände auf die Oberschenkel. Sein Trizeps spannte sich.
    »Und was ist ein Ekahaka?«, fragte ich, weil das Schweigen so laut wurde und seine Worte vom Kennen und nicht Wissen in meinem Kopf Karussell fuhren.
    »EKHK, der erste Kriminalhauptkommissar.«

    »Und Sie sind der zweite?«, fragte ich.
    Als hätte er sein Stichwort gehört, trat meine Nummer eins auf, schwänzelte den Schoßhund raus und wollte gestreichelt werden.
    »Franza Fischer«, sagte der Kommissar da zu mir mit leiser Stimme.
    Ich zuckte zusammen. Franza! Hatte er Franza gesagt, oder hatte ich mich verhört, hatte ich eine akustische Halluzination? Claudia, die schon ein paar Meter entfernt von uns war, drehte sich um, verschränkte die Arme vor der Brust und beobachtete uns.
    »Felix Tixel«, sagte ich.
    Er zuckte zurück. Ich auch. Mit neuem Abstand saßen wir uns gegenüber.
    »Feh-lix!«, rief Claudia.
    »Kennen Sie den Jungen?«, fragte er.
    »Nur flüchtig«, sagte ich.
    »Hat Simon von vorgestern auf gestern, also Freitag auf Samstag, bei Ihnen übernachtet, um auf Flipper aufzupassen, weil Sie krank waren?«
    »Ich? Krank? Nein! Simon weiß doch gar nicht, wo ich wohne!«, rutschte es mir heraus, was mir gleich darauf leidtat. Ich wollte Simon nicht verraten.
    »Also kennt Simon Sie so, wie Sie nicht geglaubt hätten, dass er Sie kennt? Er weiß sehr wohl, wo Sie wohnen.«
    »Ich kann mich nicht erinnern, ihm meine Adresse gegeben zu haben.«
    »Es ist ein Kinderspiel, die rauszufinden.«
    »Für Sie oder ihn?«
    Der halbe Mond ging auf.

    »Simon ist …«, ich suchte nach Worten.
    »Ein ganz besonderer Junge«, übernahm der Kommissar. »Aber er ist ein bisschen oft allein für meinen Geschmack. Er hat zu viel Zeit, sich Geschichten auszudenken.«
    Der Kommissar sagte Gschichtn . Wie es ein Münchner sagt. Wie meine Oma manchmal gesagt hatte. Vazähl keine Gschichtn, Franzi.
    Ich nickte.
    »Oder was meinen Sie?«, wollte der Kommissar wissen.
    »Er hat keinen Hund?«, fragte ich.
    »Einen Hund? Ich habe keinen gesehen – also nicht, dass ich wüsste.«
    »Und Sie haben ihm auch nicht aufgetragen, beim Hochsitz Wache zu halten?«, fuhr ich fort.
    Felix Tixel verstand sofort, und dafür hätte ich ihn küssen können. Also, wenn ich prinzipiell geküsst hätte. Der Kommissar lächelte. »Selbstverständlich habe ich ihn zur Wache abkommandiert. Man hat ja viel zu wenig Personal für diese Jobs. Da ist jeder Freiwillige willkommen.«
    »Das dachte ich mir schon«, erwiderte ich und schaffte es nicht, cool zu klingen. Wir strahlten uns an wie zwei Verschwörer. Ob im Badezimmer des Kommissars auch ein Pferd graste?
    »Feh-lix!«
    Der Kommissar streckte mir seine Hand entgegen. »Wiedersehen Franza, servus Flipper«, sagte er, schwang sich auf seinen rabenschwarzen Hengst und galoppierte mit wehender Mähne und Schweif von dannen.

6
    Vier Stunden später war auch Flipper überglücklich, weil wir nämlich Andrea nach ihrem Urlaub am Flughafen abholten. Am liebsten hätte er ihren Koffer getragen, und er gab keine Ruhe, bis sie den Bügel einklappte und er den Trolley wenigstens schieben durfte, in Schlangenlinien. Eine japanische Reisegruppe beobachtete staunend die Choreographie, in der Flipper leichtpfotig über das Laufband tänzelte. Niemand fotografierte, was mich einigermaßen irritierte.
     
    Andrea gehört zu Flippers Schutzbefohlenen. Er hat sie sich selbst ausgesucht, besser gesagt: Er hat sie für mich ausgesucht. Knapp zwei Jahre lag das nun zurück. Es war kurz nach Mitternacht, kurz vor der Brücke am Tierpark, da hörte ich eine

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