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Alle Vögel fliegen hoch

Alle Vögel fliegen hoch

Titel: Alle Vögel fliegen hoch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Seul
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nachts. Immer, wenn ich einschlafen will.«
    Andrea beugte sich noch weiter vor. Gleich würde sie mich in den See schubsen. Das Wasser. Die Tiefe. Das Unbewusste.
    »Die Maden«, wurde ich deutlich.
    »Maden?«, fragte Andrea enttäuscht. Symbole wären ihr bestimmt lieber gewesen – als würde ich die freiwillig liefern, ohne vorher in einem Fachbuch nachgeschlagen zu haben …
    »In den Augen. Beziehungsweise in den Augenhöhlen. Und der Gestank. Ich rieche ihn, sogar im Traum, hast du das gewusst, dass man im Traum riechen kann?« Ich wartete keine Antwort ab. »Schlimm sind auch die Fliegen und die Ameisen. Sie haben ihn aufgefressen. Auf-ge-fres-sen!«
    Eigentlich hatte ich ein wenig dramatisieren wollen, um Andrea von der Psychoschiene abzulenken, doch nun, wo ich es gesagt hatte, merkte ich, dass ich gar nicht dramatisierte. Andrea merkte es natürlich auch.
    »O mein Gott«, flüsterte sie und schlug sich die Hand auf den Mund.
    »Das geht mir nicht aus dem Sinn«, gab ich zu.
    »O mein Gott«, wiederholte Andrea und sah aus als, hätte
sie in eine mit Zitronensaft beträufelte Made gebissen. Sie war so blass, dass sie leuchtete. »Du musst sofort, also gleich am Montag, zu einem Traumatherapeuten. Du musst umgehend etwas unternehmen!« Sie griff nach ihrem iPhone. Ihre eiskalte Hand zitterte. Ich hatte sie sehr lieb, denn sie machte das, was ich hätte tun sollen: heulen. Ich konnte aber nicht. Andrea schniefte. Flipper setzte sich zwischen uns und schaute besorgt von der einen zur anderen. Andrea steckte das Telefon zurück in die Handtasche. Jetzt würde sie ohnehin niemanden erreichen. Doch sie behielt ihr Ei in der Tasche noch eine Weile in der Hand, wie eine Nabelschnur zur großen Mutter.
     
    Am Tag sechs stand ich nach Bauch, Beine, Po kurz vor zwölf nackt in der Umkleidekabine, umringt von meinen Schülerinnen, als mein Handy jodelte. Unbekannt , las ich im Display.
    »Hallo?«, fragte ich.
    »Frau Fischer?«
    Das Handy rutschte mir aus der Hand, unter die Spinde. Zeitgleich mit drei meiner Schülerinnen bückte ich mich und so krabbelten wir nackt über den Boden, grabschten nach dem Kommissar.
    »Störe ich Sie?«, fragte er, als ich ihn endlich gepackt hatte.
    »Nein, nein«, sagte ich höflich, mehr stand mir bei diesem Überrumpelungsangriff nicht zur Verfügung.
    Mein Kopf war knallrot. Ein Blick in die Runde zeigte mir, dass ich kein Einzelfall war. Aber bei den anderen kam es bestimmt vom Bücken.

    »Moment«, bat ich und zog mich in den Vorraum der Toiletten zurück.
    »Frau Fischer?«
    »Ja.«
    »Wo sind Sie eigentlich? Es hallt.«
    »So?«
    »Ich möchte Ihnen eine Frage stellen.«
    Ob ich mit ihm essen gehen wollte? Ob ich ein Protokoll in seinem Zimmer unterschreiben wollte und wann? »Ja?«
    »Sie haben keinen Waffenschein?«
    …
    »Frau Fischer?«
    »Hm.«
    »Sind Sie noch dran?«
    »Nein.«
    »Was, nein?«
    »Nein, ich habe keinen Waffenschein.«
    »Und warum nicht?«
    »Weil ich keine Waffe habe.«
    »Sind Sie da sicher?«
    »Ja.«
    »Wirklich?«
    »Natürlich! Das wüsste ich doch.«
    »Also absolut sicher.«
    »Ja, ja, ja!«
    Sabine kam rein und grinste mich wissend an, als wäre sie Zeugin eines Heiratsantrags, ehe sie begann, aufreizend langsam und sehr gründlich ihre Hände zu waschen, jeden Finger einzeln masturbierend und mich im Spiegel nicht aus den Augen lassend. Ich drehte mich weg.

    »Hallo?«, fragte der Kommissar.
    »Moment«, sagte ich und zog mich in eine Kabine zurück.
    »Wer ohne Waffenschein im Besitz einer Waffe ist …«
    »Aber ich hab keine!«
    »Franza Fischer«, sagte er da. Er sagte es wie auf dem Baumstamm am Hochsitz, und mir wurde flüssig, und ich antwortete: »Felix Tixel.«
    Er räusperte sich. Schweigen. Dann fragte er: »Und was ist mit der Beretta?«
    »Was? Welche Beretta?«
    »Die Beretta, die Sie ständig mit sich herumtragen.«
    »Wie bitte?«, fragte ich. Ich kapierte überhaupt nichts. Erst allmählich fiel der Groschen, und mit dem Groschen fiel ich auf den Klodeckel und prustete los.
    »Hallo?«
    »Das wissen Sie von Simon?«
    Schweigen.
    »Simon ist Ihr Informant! Nur er weiß darüber Bescheid.«
    »Also doch!«
    »Klar! Wie soll ich denn sonst mit den geweihten Silberkugeln auf die Untoten schießen.«
    »Frau Fischer!«
    »John Sinclair!«
    »Wer?«
    »Der Geisterjäger.«
    »Wie bitte?«
    »Klaus Hase ist vielleicht gar nicht tot. Vielleicht spukt er als Untoter. Deshalb braucht man geweihte Silberkugeln und die Beretta.«
    Ich

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