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Alle Vögel fliegen hoch

Alle Vögel fliegen hoch

Titel: Alle Vögel fliegen hoch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Seul
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niemandem sagen, dass er die Leiche gefunden hat. Er war ganz allein damit. Und zurück traute er sich vielleicht nicht. Wenn also nicht Flipper, sondern Simon die Leiche gefunden hat. Vorher. Einen oder zwei Tage vorher. Dann …«
    »… kann man ganz schön Angst vor Geistern kriegen«, vollendete ich.
    »Und dann will man auch nicht mehr im eigenen Bett schlafen, wenn der Tote doch nebenan gewohnt hat, und es allgemein bekannt ist, dass die Toten herumspuken.«

    »Lieber sucht man Schutz bei jemandem, der sich gegen Geister wehren kann.«
    »Deshalb hat er von Mutproben gesprochen«, murmelte ich.
    »Wie bitte?«
    »Ich habe ihn am Hochsitz getroffen, und er hat gesagt, das wäre eine Mutprobe.«
    Felix packte mich am Arm. »Und wohin geht er jetzt? Heim? Oder wartet er, bis ich weg bin, und kommt dann hierher zurück?«
    Mein Oberarm brannte.
    »Entschuldigung«, sagte Felix.
    »Macht nichts«, sagte ich in das altmodische Ringen seines Handys.
    »Alexa, ich hätte dich gleich angerufen, danke«, meldete Felix sich, »der Junge ist wieder da. Es war falscher Alarm. Er ist mit einer Frau und ihrem Hund spazieren gegangen. Vielen Dank für den Rückruf und dein Verständnis und bis demnächst. Ja. Ja. Ja. Sicher. Ja, mach ich. Du auch. Servus.« Er steckte das Handy in die Hosentasche und wandte sich an mich. In seinem Gesicht glühte kein Schimmer einer Lüge.
    »Franza, ich habe mich entschieden. Das Warten ist mir zu gefährlich. Ich glaube zwar, dass Simon heimfindet – aber es gibt keine S-Bahn in Wampertskirchen. Er muss zu Fuß gehen. Oder per Anhalter fahren. Das gefällt mir nicht, einmal abgesehen davon, dass er vorher quer durch München muss. Der Bub ist in keiner guten Verfassung. Ein Kind, das so durcheinander und unsicher ist, zieht bestimmte Typen geradezu magisch an.«
    »Und wenn ich es versuche? Mit Flipper?«

    Felix schüttelte den Kopf. »Die Spur ist längst kalt.«
    »Flipper hätte Sie vorhin begleiten sollen.«
    »Ja, vielleicht.«
    »Bitte«, sagte ich. »Nur ein Versuch.«
    »In der Stadt? Eine Fährte?«
    »Warum nicht?«
    »Es ist zu riskant.«
    »Bitte. Eine halbe Stunde.«
    »Vielleicht liegt er doch irgendwo auf der Lauer und wartet«, dachte Felix laut. »Vielleicht wäre das wirklich der beste Plan. Ich sollte verschwinden. Vielleicht hat er sich irgendwo im Hof versteckt?«
    »Dann findet Flipper ihn.«
    Felix kämpfte mit dem Kommissar. Der Kommissar wollte seine Kollegen anrufen und die Maschinerie in Gang setzen. Felix wollte Simon Ärger ersparen.
    »Immerhin, die Tatwaffe hat er gefunden«, sagte er nachdenklich, und da wusste ich, dass Flipper seine Chance bekam.
    »Gehen Sie jetzt bitte, Felix. Ich warte fünf Minuten und verlasse dann mit Flipper das Haus. Ich rufe Sie an, sobald ich ihn gefunden habe.«
    »Eine halbe Stunde.«
    Ich nickte.
    Ohne mich um Erlaubnis zu fragen, öffnete Felix die Tür zum Schlafzimmer. Vorsichtig hob er Sinah aus meinem Bett. Sie hatten meine Wohnung kaum verlassen, da sah ich am Himmel ein Blaulicht zucken. In diesem Moment begriff ich, dass Simon in Gefahr war. Dass dies kein Spiel war. Ich war angekommen in der Realität.

16
    »Zum Deutschen Museum«, instruierte ich Flipper. Es war nur so ein Gefühl. Und irgendeine Richtung musste ich vorgeben, denn Flipper stand abwartend auf der Straße und hatte nicht reagiert, egal wie oft ich »Simon. Such Simon!«, sagte. Menschenfinden hatten wir noch nie geübt – mit wem auch. Als er endlich loslief, apportierte er eine leere Plastikflasche und dann einen Turnschuh. Eine halbe Stunde war verdammt kurz. Ich befahl Flipper ins Fuß, joggte los und konzentrierte mich auf Simon. Sein liebes zartes Gesicht, die hellblonden Haare, die blauen Augen und seine Stimme. Dabei merkte ich, wie gern ich den kleinen Kerl hatte. Hoffentlich war es kein Fehler, meine Wohnung zu verlassen? Wenn Simon wirklich in der Nähe geblieben war? Dann hätte Flipper ihn aufgestöbert … bestimmt!
    »Flipper! Such Simon, den kleinen Simon! Such Flipper, such Simon!« In seinem geschmeidigen Trab lief er neben mir her und zeigte mir mit keiner Bewegung, dass er mich verstand. Ja, es war mir nicht entgangen, dass er den Kommissar weniger prickelnd fand, aber jetzt ging es um Simon. Da konnte man seine Animositäten wohl ein wenig zurückstellen! »Reiß dich zusammen, Flipper!«
    Am Forumkino schien ein Event stattzufinden. Helle
Scheinwerfer beleuchteten die Ludwigsbrücke. Flipper beschleunigte sein Tempo.
    »Bleib

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