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Alle Vögel fliegen hoch

Alle Vögel fliegen hoch

Titel: Alle Vögel fliegen hoch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Seul
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drückte meine Hand.
    Ich fühlte mich sehr, sehr glücklich. So brausten wir durch die Stadt, und auf der Starnberger Autobahn schaltete Felix wirklich das Blaulicht ein, allerdings ohne Ton und nur für zwei, drei Kilometer. Simon juchzte vor Begeisterung. Sinah schlief schon wieder.
    »Autofahren ist das beste Einschlafmittel für sie«, vertraute Felix mir an, während er mir eine Wasserflasche reichte.
    »Nein danke«, lehnte ich ab.
    Auch Simon war verdächtig ruhig. Und ich auch. Aber mein Herz redete, denn es war ihm etwas zugestoßen. Ein Erdbeben, Herzbeben, jedenfalls war eine Wand eingestürzt, und alle Wälle waren fortgespült, und mein rotes heißes Blut überflutete meine Sinne, und dahinter quollen all die Gefühle und Bilder hervor, die ich seit Jahren versteckt gehalten hatte, und das war nicht schön und tat mir nicht gut, es tat weh, und ich konnte sehr deutlich erkennen, dass ich so nicht leben wollte, mit dieser Überflutung, aber ich wusste auch nicht, womit ich einen Damm errichten sollte, so lange ich neben Felix saß.

    »Mist«, entfuhr es ihm, als wir vor Simons Haus parkten.
    Wir waren nicht die einzigen Ankömmlinge. Simons Eltern luden etwas aus einem alten roten Golf. Hatte Felix Simon diese Konfrontation ersparen wollen? Hätte er ihn einfach in sein Bett geschickt und die Angelegenheit vergessen?
    »Meine Eltern!« Simon war hellwach.
    »Ja, Simon. Das wird jetzt wahrscheinlich ein bisschen unangenehm für dich. Aber ich bin an deiner Seite. Du sagst erst mal gar nichts, abgemacht?«
    Von hinten kam kein Laut.
    »Gute Nacht, Simon«, sagte ich.
    Eine kleine kalte Hand schoss nach vorne, berührte meinen Unterarm, und weg war sie.
    Simons Eltern stießen einen Überraschungsschrei aus, als sie ihren Sohn neben dem Kommissar erkannten.
    »Simon, du bist doch im Bett!«, entfuhr es seiner Mutter. Tja, so konnte man sich täuschen. Zu viert gingen sie ins Haus.
    Flipper und Sinah atmeten ruhig. Ich tastete nach der Wasserflasche. … Was war das? Ich zog das Ding unter dem Sitz hervor. Eine Mappe. Die Luft wurde dünn. So was machte man nicht. Aber wann hatte eine normale Bürgerin schon mal die Gelegenheit, die interne Polizeiarbeit zu kontrollieren: Wurde hier auch ordentlich gearbeitet? Wie sah es mit der Rechtschreibung aus? Ich knipste die Innenbeleuchtung an und blätterte.
    In der Mappe befanden sich mehrere Protokolle sowie diverse geklammerte Unterlagen. Vielleicht wollte Felix sie übers Wochenende durchlesen. Alle drehten sich um die Tätigkeit Klaus Hases im Patentamt. Von wann bis wann er
dort gearbeitet hatte, in welchen Abteilungen, zu welchen Akten er Zugang hatte und wie es insgesamt um die Sicherheitsstandards im Patentamt bestellt war. Gehetzt konnte ich die Informationen leider nur überfliegen. Das Patentamt! Es war keine Beziehungstat, es ging nicht um Liebe, sondern um Geld! Mit Patenten konnte man sehr reich werden. Vielleicht hatte Klaus Hase chemische Formeln verkauft? Er hatte seinen Job nicht gekündigt, weil er sich der Vogelkunde widmen wollte. Das war nur ein Vorwand gewesen. Da wäre ich ja nie drauf gekommen! Wie auch. Ich war nur eine einfache Yogalehrerin. Ich atmete ein und aus und hatte keine Ahnung.
    »Papa?«, fragte eine Stimme.
    Ich klappte die Mappe zu.
    »Papa?«
    »Er kommt gleich«, sagte ich und schob die Mappe wieder unter meinen Sitz und knipste das Licht aus. Nicht, dass Töchterchen ihm später verriet, dass die fremde Frau in seinen Unterlagen gelesen hatte. Oder kriegte Sinah so was noch gar nicht mit? Wie sah die Welt aus für eine Zweijährige? Oder war sie schon zweieinhalb? Ich wollte es gar nicht so genau wissen.
    »Na mein Schatz, bist du auch mal wieder wach.« Felix öffnete die hintere Tür und drückte seiner Tochter einen Kuss ins Gesicht.
    Flipper wedelte entzückt und streckte seinen Hals.
    »Du nicht!«, lachte Felix.
    »Papa, hab Durst.«
    Er kramte in einer bunten Tasche neben Sinah und zog einen Teddy und ein Nuckelfläschchen heraus. »Ist nicht
mehr viel drin, Sneku, aber jetzt fahren wir heim, und da mach ich dir frischen Tee.« Er legte den Teddy in ihren Arm und nahm auf dem Fahrersitz Platz. »Alles klar, Franza?«
    Bestimmt erwartete er jetzt, dass ich ihn fragte, wie es gelaufen war. Aber wenn ich das machte, würde ich wieder nicht beichten, und ich wollte diese lästige Pflicht endlich los sein. Das würde mir dabei helfen, meine Fassung wiederzuerlangen; dieses schwammige Gewaber in solide Backsteine

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