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Alle Vögel fliegen hoch

Alle Vögel fliegen hoch

Titel: Alle Vögel fliegen hoch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Seul
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da.«
    Er wurde noch schneller. Ich hetzte hinterher.
    »Ich will nicht zum Isartor, sondern zum Deutschen Museum!«, zischte ich. Flipper verspürte offensichtlich einen unwiderstehlichen Drang ins Rampenlicht. Ohne jedes Schamgefühl schlängelte er sich an der Schiffsschraube vorbei, sprang direkt vorm Forum über ein Absperrgitter – ein paar Leute schrien erschrocken auf –, trabte federleicht mit erhobenem Kopf und aristokratisch schwingender Rute über einen roten Teppich und verschwand im Dunkel.
    Einige Bodyguards rannten ihm nach, Getuschel und Gelächter, Applaus, als eine weiße Stretch-Limousine auf dem Gehsteig parkte. Ich fühlte mich wie im Kino. Eine Filmpremiere – und da tauchten sie auf. Die Helden. Flipper und Simon. Blitzlichtgewitter. Simon legte die Hände über die Augen. Ein Mann beugte sich zu ihm. Irgendeine Synchronstimme, die mich verdächtig an den Jungen von Lassie erinnerte, erwiderte in meinem Kopf:
    »Yes Sir. This is my dog.«
    »This is a great dog, my son, really a great dog. He saved your life.«
    »Yes Sir. I know. He is the best dog in the world.«
    »But now you have to go home. Your Mama is waiting. She cries her eyes dry.«
    »Yes Sir. Goodbye.«
    »God bless you.«

    Da sich in diesem Moment echte Stars aus der Stretch-Limousine materialisierten, konnten wir unbemerkt verschwinden. An den Museum Lichtspielen schlugen wir uns in den Untergrund – unter die Brücke. Simon umarmte mich, als wollte er mich nie mehr loslassen. Flipper drückte sich eng an uns, und in meinen Armen war auch noch Platz für ihn.
    »Simon, bin ich froh, dass du wieder da bist!«, stieß ich hervor. »Und jetzt bleibst du bei mir. Ich rufe nur schnell den Kommissar an …«
    »Aber dann muss ich ins Gefängnis.«
    »Quatsch! Kinder kommen nicht ins Gefängnis. Du hast die Leiche gefunden, gell? Du hast das Fernglas mitgenommen und Angst gekriegt, große Angst, gell? Du kannst nichts dafür, dass der Klaus Hase tot ist. Der war schon tot, als du ihn gefunden hast.«
    »Ich habe ihn tot gemacht.«
    »Wie willst du das denn geschafft haben? Der ist erschlagen worden! Das kannst du doch gar nicht!«
    Simon riss die Augen auf. »Aber ich hab’s ihm gewünscht. Ganz fest gewünscht. Und dann war er tot.«
    »Gewünscht?«, wiederholte ich stockend.
    »Ja! Ganz fest! Weil er mich erwischt hat, wie ich die Eier vom Baum geholt habe. Ich wollte sie in den Backofen legen, weißt du. Dann hätte ich ihnen ein schönes Nest gebaut und Würmer für sie ausgegraben. Der Ben hat das auch gemacht und dann ist es ein Geier geworden, und die sind so groß, dass man auf denen reiten kann.«
    Ich struwwelte durch Simons Haare. »Klar kann man auf Geiern reiten. Hab ich selber früher auch gemacht. Aber das mit den Eiern funktioniert so nicht. Da hat dich der Ben
angeschwindelt. Und jetzt ruf ich den Kommissar an und sag ihm, dass du in Sicherheit bist. Dir passiert nichts. Der Kommissar wird sich freuen. Du bist doch sein Hilfspolizist. Der ist ja total aufgeschmissen ohne dich.«
    »Meinst du?«, fragte Simon zweifelnd.
    »Das weiß ich!«, behauptete ich.
     
    Als wir in meine Straße einbogen, stieg Felix aus seinem BMW. Wortlos umarmte er zuerst Simon, dann mich. Leider merkte ich das erst, als es vorbei war.
    »Und jetzt fahre ich den jungen Mann nach Hause«, strahlte Felix.
    »Aber ich will bei Flipper übernachten«, widersprach Simon nur der Form halber und stieg ganz schnell in den BMW.
    »Ich hol deinen Rucksack«, sagte ich. »Und das Fernglas.«
    »Nicht anfassen, Franza!«, rief Felix.
    »Ich bin doch nicht auf der Brennsupp’n dahergschwommen! «, lachte ich.
    Er reckte den Daumen in die Luft.
    »Ich fahre übrigens auch mit«, verkündete ich.
    »Etwas anderes habe ich nicht erwartet.«
    Das Fernglas behandelte ich wie ein rohes Ei, fasste es nur mit Plastiktüte an und überreichte die Beute Felix, der sie im Kofferraum verstaute.
    »Soll Flipper zu mir nach vorne?«
    »Nein, das ist zu eng. Sinah und Simon können sich hinten ein bisschen dünne machen, oder?«
    Zustimmendes Gekicher antwortete. Das Püppchen war wach.

    »Fahren wir mit Blaulicht?«, fragte Simon.
    »Später.«
    »Das hat mir der Kommissar nämlich versprochen«, klärte Simon mich auf.
    »Wir hatten eine kleine Unterhaltung, während Sie weg waren.«
    »Aha.«
    »Ein Gespräch unter Männern«, sagte Simon getragen.
    »Verstehe«, erwiderte ich ernst.
    »Alles war genauso, wie wir es vermutet haben«, sagte Felix leise und

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