Alle Vögel fliegen hoch
Kommissar.
Simon wischte ins Bad.
»Ich glaube, er glaubt… Er ist… Ich bin … Eben hat er …«, flüsterte ich.
»Das Fernglas ist hier?«
»Im Wohnzimmer«, sagte ich und starrte das Kind an. Blonde Kringellöckchen. Ein Engel in einem rosafarbenen leichten Schlafsack mit Sonne, Mond und Sternlein. Grüner Schnuller, Stupsnase.
»Sie ist erst zwei. Ich kann sie nicht allein zu Hause lassen«, erklärte Felix Tixel.
»Klar«, sagte ich locker. »Wollen Sie reinkommen?«
»Gerne. Schuhe ausziehen?«
»Nein, nein«, sagte ich, und am Rande nahm ich wahr, dass Simons Schuhe fehlten, ich begriff jedoch nicht, was das bedeutete, ich war mit der Puppe beschäftigt.
Meine Knie schlingerten.
»Danke, dass ich kommen durfte«, sagte der Kommissar steif.
»Danke, dass Sie gekommen sind«, erwiderte ich förmlich.
So standen wir im Flur und schauten an uns vorbei. Flipper winselte. Ich hatte ihn mit einer Handbewegung neben die Wohnzimmertür befohlen, und dort wedelte er, als wollte er gleich abheben.
»Sinah liebt Hunde«, sagte der Kommissar.
»Ah, ja.« Etwas Besseres fiel mir nicht ein.
»Schön haben Sie’s hier.«
»Haben Sie gleich hergefunden?«
»Ja klar. Ist nicht weit.«
»Es hat ziemlich lang gedauert.«
»Packen Sie mal ein Kind ein! Eine frische Windel hat sie auch. Außerdem haben wir fünf Minuten nach den unverzichtbaren Stofftieren gesucht, die immer mitmüssen.«
Neugierig schaute ich in den Hausflur. »Und wo sind die?«
»Im Auto.«
»Ach ja«, sagte ich. Allmählich ging mir der Gesprächsstoff aus. Die große Neuigkeit fuhr wie eine Abrissbirne durch meine Gedanken. Felix Tixel hat ein Kind. Felix Tixel ist Vater. Felix Tixel ist kein Single. Felix Tixel hat eine Familie.
Der Kommissar blickte zur Badtür. »Er ist da drin?«, fragte er mich.
»Ja.«
»Simon?«, rief er.
Vater. Er ist Vater. Verheiratet. Aus.
»Hat der Raum ein Fenster?«, fragte er.
»Ja, aber nur ein kleines …« Ich stockte. Dann nickte ich. Ein Kind könnte sich hindurchzwängen.
Der Kommissar drückte mir die Puppe in den Arm und riss die Badtür auf. Keine Spur von Simon, und das Fenster stand offen.
»Scheiße!«, rief der Kommissar. Und noch mal, »Scheiße, Scheiße!« Er schlug mit der Faust an den Türstock. Das fand ich übertrieben. Brachte ja nichts. Es gefiel mir trotzdem. Der Kommissar beugte sich über Sinah. Sein Wutanfall hatte ihren Schlummer nicht gestört.
»Franza, kann ich meine Tochter kurz bei Ihnen lassen, ist das in Ordnung? Ich bin gleich wieder da.«
Und weg war er. Das Kind in meinem Arm seufzte. Es duftete nach Creme. Es war sehr warm. Ich senkte meine Nase in die flaumigen Locken. Die Kopfhaut roch ein bisschen verschwitzt. Vielleicht hatte die Kleine vor dem Einschlafen mit ihrem Papa herumgetobt. Flipper tänzelte entzückt von einer Pfote auf die andere und streckte sich, um Windelduft zu ergattern.
»Weg«, vertrieb ich ihn.
… Sinah… Schöner Name. War er also Vater. Wer hätte das gedacht. Passte gar nicht zu ihm. Ich schloss die Haustür und ging vorsichtig ins Wohnzimmer. Steif setzte ich mich auf das Sofa. Das Kind schlief weiter. Ich wusste nicht recht, wie ich es halten sollte. Es war schwer und fühlte sich sperrig an in meinen Armen. Hoffentlich wachte es nicht auf. Keine Ahnung, was ich dann tun sollte. Sinahs Mund zuckte. Da konnte ich ihn erkennen, den Kommissar. In diesem schönen Mund. Er hatte ein Kind. Und eine Frau, eine Familie, vielleicht hatte er mehrere Kinder. Franza, du
bist eine Idiotin. Gut, dass das nun geklärt war. Er war nur wegen Simon da. Rein beruflich. Das war’s. Ich brauchte nicht mehr für ihn zu apportieren. Game over.
Zwanzig Minuten später klingelte es Sturm. Felix allein. »Ist er da?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Das darf nicht sein, verdammt!«
»Ich verstehe das nicht!«
»Ich war überall. In jedem Hinterhof und bis an der Brücke. Es gibt hier Millionen Verstecke. Ich habe gerufen. Nichts. Es hat ihn auch niemand gesehen. Ich brauche Verstärkung. Und ich… Sinah?«
»Ich habe sie in mein Bett gelegt.«
»Danke.«
»Gerne.«
»Ich muss meine Kollegen informieren. Warum ist er überhaupt weggelaufen? Er hat doch keinen Grund dazu? Na, gut, das Fernglas – aber ich bin bestens mit ihm ausgekommen. Er kennt mich doch. Franza, was hat er dir, Ihnen, was hat er gesagt, was ist vorher passiert?«
»Also, das war so …«
»Ich möchte kurz nach Sinah sehen.«
»Natürlich.« Ich zeigte auf die
Weitere Kostenlose Bücher