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Alle Vögel fliegen hoch

Alle Vögel fliegen hoch

Titel: Alle Vögel fliegen hoch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Seul
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Hände, um die Wucht einer solchen Falle zu demonstrieren. Flipper sprang auf die Pfoten. Ich würde ihn nie wieder frei laufen lassen.
    »Und die zwei mit Draht angebundenen Hühner, die als Locktauben dienten, waren verhungert. Das nur am Rande. «
    »Locktaube wie Lockvogel?«
    Der Waldschrat nickte. »Naturschutz ist der ultimative Intelligenztest der Spezies Mensch.«
    Merken , dachte ich mir beeindruckt. »Man kann also auf eine harmlose Art Vögel fangen – in einem Fangkorb – und auf eine schlimme Art, mit einem Fangeisen?«, vergewisserte ich mich.
    »Wenn Sie mit der schlimmen Art meinen, dass ihnen die Beine abgeschlagen werden, ja. Aber harmlos ist der Fangkorb auch nicht. Denn es befolgt ja niemand die Gesetze, die da vorschreiben, der Lockvogel muss Wasser haben und über Nacht herausgenommen werden. Was glauben Sie, wie viele verdurstete Vögel wir schon in Fangkörben gefunden haben. Die muss man übrigens auch genehmigen lassen. Was allerdings kaum einer tut.«
    »Ich hab mal so ein Ding gefunden«, vertraute ich dem Waldschrat an, »also mein Hund. Ich habe den Vogel dann freigelassen.«
    »Das haben Sie gut gemacht.« Er nickte Flipper zu. »Da
könntest du dich doch drauf spezialisieren, bist wohl ein kluger Bursche.«
    »Und wer legt so was aus? Jäger?«
    »Zum Beispiel.«
    »Aber Sie haben doch eben gesagt, dass Jäger auch mit Vögeln arbeiten …«
    »Ausnahmen gibt es immer. Aber leider zu wenige. Und es sind ja nicht nur die Jäger. Es sind auch die Bauern und die Taubenzüchter und die Eiersammler und überhaupt alle, die die Vögel stören.«
    »Eiersammler?«
    »Leute, deren Leidenschaft darin besteht, Eier von bedrohten Vogelarten zu sammeln, sie plündern die Nester und blasen die Eier dann aus. Wir haben einen Fall dokumentiert, da hat ein Lehrer in fünf Jahren 122 Vogelnester ausgeraubt, unter anderem von Kranichen, Fisch- und Seeadlern. Die Polizei hat eine Sammlung von siebentausend präparierten Eiern beschlagnahmt und einen Sammlerring für Vogeleier enttarnt. Neunzigtausend Vogeleier hat man sichergestellt, von fast jeder vom Aussterben bedrohten Vogelart. Und was hat er gekriegt, der Herr Lehrer? Zwei Jahre auf Bewährung!«
    »Und der Klaus Hase?«, blieb ich hartnäckig. Ich war mir nicht sicher, ob der Waldschrat das Gespräch über ihn mied oder es ständig vergaß. »Hat der sich vielleicht einen Vogel gefangen?«
    Der Waldschrat nahm eine Feder aus einem der Behältnisse, hielt sie prüfend nach oben, fuhr ein paarmal mit den Fingern darüber.
    »Bestimmt nicht.«

    »Aber Sie kennen ihn doch gar nicht.«
    »Viel kann ich Ihnen nicht sagen. Ich habe ihn zwei-, dreimal getroffen in der Gegend von St. Heinrich.« Dafür, dass er Klaus Hase kaum kannte, wirkte er sehr betroffen. Warum fragte er mich nicht, woran er gestorben war?
    »Und das reicht Ihnen, um sicher zu sein, dass er keine Fangkörbe aufgestellt hat?«
    »Er war ein Habichtler.«
    »Ein was?«
    »Der Habicht ist ein interessanter Vogel. Der fliegt wie ein Kampfflugzeug zwischen den Bäumen durch. Der ist praktisch der Terrier unter den Greifvögeln.« Der Waldschrat deutete auf Flipper. »Der Habicht ist wie ein Hund. Der folgt einem von Baum zu Baum. Das ist schon was Besonderes, vor allem, wenn man einen aushorstet.«
    »Wie?«
    »Wenn man sich einen aus dem Nest holt.«
    »Ein geschlüpftes Ei?«
    »Nein, der Nestling ist dann schon drei Wochen alt. Vorher horstet man nicht aus. Er muss schon selber kröpfen können. Aber das ist ja heute alles verboten. Und ein Habichtler macht das auch nicht. Was nicht heißt, dass es nicht getan wird. Was glauben Sie, wie viele Jungvögel aus ihren Nestern entführt werden. Und dann werden sie teuer verkauft. Zum Beispiel an Tiersammler, Falkner, Greifvogelschauen und Tierpräparatoren. Schauen Sie ruhig mal in die Kühltruhen dieser Herrschaften«, forderte der Waldschrat mich auf, als bräuchte ich dazu nur an den betreffenden Türen zu klingeln. »Schlecht wird es Ihnen da.«
    So genau wollte ich das alles gar nicht wissen. Ich wollte
zurück unter meinen blauen Himmel, wo die Vögel kreisten, ich wollte Amsel, Drossel, Fink und Star in meinem Hinterhof zwitschern hören und nichts von Tragödien wissen.
    »Sie können natürlich einen Antrag stellen, dass Sie einen Nestling aushorsten wollen. Aber da müssen Sie Falkner sein und den Jäger fragen, in dessen Revier sich der Horst befindet. Der junge Mann, der Klaus Hase, wollte einen Rothabicht. Das war sein

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