Alle Wege führen nach Rom: Die ewige Stadt und ihre Besucher (German Edition)
gegenüber ihrem Ehegemahl bei, der sie und die Kinder so schlecht zu behandeln pflegte. Es kümmerte sie nicht, ihn zu betrügen, eher war das Gegenteil der Fall. Als sie sich einmal während einer kurzen Erholungsreise in intimer Zweisamkeit mit Winckelmann befand, überwältigte sie, die Römerin aus dem Volk, ihre leidenschaftliche Natur, und es kam so weit, dass sie Winckelmann offen zum Geschlechtsverkehr aufforderte.
Winckelmann spielte das Spiel bis zu einem gewissen Punkt mit, denn er bewunderte die Schönheit der Frau seines besten Freundes. Doch handelte es sich für ihn um ein rein sentimentales Verhältnis, bei dem keine Sexualität vorgesehen war. Auf dem Höhepunkt wies er Margheritas Avancen zurück und verschanzte sich hinter dem Bollwerk seiner Tugend. Danach war von dergleichen Dingen nicht mehr die Rede. In seinen Briefen an die deutschen Freunde versichert Winckelmann häufig, in Margherita verliebt zu sein, aber dies war nur eine Projektion seiner Liebe zu Mengs, welche sich im sentimentalen Tonfall der Zeit Ausdruck verschaffte. Diese Art von Gefühlen war intellektuellen Ursprungs und wurde bis zu einem gewissen Grad wohl auch von Mengs geteilt. Als dieser hörte, dass es seiner Frau dank Winckelmanns Zuwendungen wieder besser ging, hatte er jedenfalls nichts gegen dessen Liebeskur einzuwenden. Das subtile Spiel zwischen den beiden Deutschen, für welche eine sentimental gefärbte Männerfreundschaft dem Geist der Zeit entsprach, wurde jedoch durch die plebejische Leidenschaftlichkeit Margheritas aus dem Lot gebracht, die von solchen Subtilitäten nichts wusste und nichts wissen wollte. Mengs traute seiner Frau nicht, Winckelmann aber hatte sein volles Vertrauen. Er wusste, wie sehr dieser in seiner Homosexualität verankert war und deshalb kein Interesse an sexuellen Beziehungen mit seiner Frau haben konnte. Als er nach der Rückkehr Margheritas nach Spanien im November 1764 entdeckte, dass die beiden sich Liebesbriefe schrieben, machte er dem Freund sogar den Vorschlag, nach dessen Rückkehr nach Rom mit ihm und Margherita in einem Dreiecksverhältnis zu leben. Mengs und Winckelmann stellten sich darunter natürlich etwas völlig anderes vor als Margherita. Als eingefleischter Homosexueller hatte Winckelmann nie etwas vom komplizierten Verhältnis zwischen den Eheleuten begriffen und hoffte nur auf deren Rückkehr nach Rom, um endlich in den Genuss dieses Haushalts aus schönen Gefühlen zu kommen, während Margherita weiterhin ihre Ehepflichten gegenüber ihrem legitimen Gemahl erfüllen würde. Doch Winckelmanns Hoffnungen wurden enttäuscht, Mengs kehrte zu Winckelmanns Lebzeiten nicht nach Rom zurück. Er fürchtete wohl, dass die Leidenschaftlichkeit mit Margherita durchgehen könnte. Letztlich hatte er seinem Freund nie verziehen, dass er seiner Frau so große Hoffnungen gemacht hatte. Dies war jedoch nicht der Grund für den Bruch ihrer Freundschaft.
Dazu kam es, als Winckelmann die Gewissheit erlangte, dass Mengs Giovanni Battista Casanova bei seinen Fälschungen geholfen hatte, und er gleichzeitig den Verdacht schöpfte, dass er ihn auch mit dem Gemälde Jupiter und Ganymed hereingelegt hatte. Jedenfalls wies er am 18. Januar 1766 seinen Verleger Georg Conrad Walther an, in der nächsten Ausgabe seiner Geschichte alle diese Gemälde betreffenden Stellen zu streichen. Am 16. November 1766 schrieb er schließlich an seinen Freund Muzel-Stosch: «Casanova verdienet weder von mir noch von Ihnen erwehnet zu werden (…); es sey genug, zu sagen, daß er und Mengs sich vereiniget gehabt, wie ich nicht zweifle, mich vor der Welt lächerlich zu machen, und dieser Argwohn auf den letzten ist die Ursach eines ewigen Bruchs.» Mengs traf dieser Bruch sehr, das Schweigen des Freundes, der jede Korrespondenz mit ihm abbrach, war so eloquent, dass er am 30. September 1766 seinem Schwager Anton von Maron schrieb, er stehe immer für seine Freunde bereit, obwohl er sich von jenen gehasst fühle, die ihm immer am teuersten gewesen seien. Die Anspielung auf Winckelmann lässt sich nicht überhören, sie bestätigt, dass die alte Freundschaft zu Ende war.
Der gewaltsame Tod Winckelmanns am 8. Juni 1768 setzte der Komödie der Irrungen ein Ende. Nachdem der Dritte aus dem Spiel ausgeschieden war, besserten sich die Beziehungen zwischen Margherita und ihrem Ehemann sogar ein wenig, wie einige Briefe von ihr aus der zweiten Hälfte des Jahres 1768 erkennen lassen. Da sie nun endgültig auf die
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