Alle Wege führen nach Rom: Die ewige Stadt und ihre Besucher (German Edition)
zu bewegen. Die Opfer, die am leichtesten in die Falle gingen, waren für Eltern schöner Töchter natürlich die Maler aus dem Ausland, die immer auf der Suche nach einem Modell waren. Archenholz schreibt dazu: «Viele fremde Künstler sind in diese Netze gefallen und ganz unerwartet zu einer Frau gekommen. Solche Vorfälle ereignen sich täglich.» Wenn das Verhältnis des Malers mit dem Modell in vollem Gang war, erschienen die Verwandten und drohten: «Entweder die Ehe oder die Galeeren.» Solches erlebte 1732 ein junger französischer Maler, Charles André (genannt Carle) Van Loo (1705–1765), der sich als Stipendiat der französischen Akademie in Rom aufhielt. Er verliebte sich in eine junge römische Witwe aus dem Volk und wäre fast nach der üblichen Prozedur zur Heirat gezwungen worden, wenn der Direktor der Akademie ihm nicht die Flucht nach Florenz und von dort nach Frankreich ermöglicht hätte.
Angesichts dieser Lage darf man vermuten, dass auch das Verhältnis des jungen Mengs mit Margherita Guazzi eine solche Entwicklung nahm, dass es nämlich vom Cousin Colarelli und den Eltern aufmerksam überwacht wurde, um dann im gegebenen Moment den forschen deutschen Maler mit der Drohung, sich an den Pfarrer und das Gericht zu wenden, zu zwingen, den Widerstand seines Vaters zu überwinden und sein Modell zu heiraten. Die Inquisition wurde nicht etwa angerufen, um Mengs Vater zu bewegen, seine Einwilligung zu geben, sondern weil Mengs als Protestant vor der Heirat der lutherischen Häresie abschwören und sich zum Katholizismus bekehren musste. Die Hochzeit fand 1749 statt. Danach hielt Mengs es freilich für nötig, seinen Schwiegervater davon abzuhalten, weiterhin als Müllfahrer zu arbeiten, indem er ihm monatlich 30 Scudi zukommen ließ. Diese dürften sehr willkommen gewesen sein, denn eines der Hauptziele armer römischer Familien war es auch, bei der Verheiratung der Tochter selbst zu Geld zu kommen.
Die Beziehungen zwischen Mengs und seiner Frau waren indessen weniger harmonisch, als man hätte annehmen können. Jedenfalls muss man diesen Eindruck gewinnen, wenn man dem glaubt, was Margherita Guazzi Giacomo Casanova erzählte. Dieser war 1760 nach Rom gekommen, um seinen Bruder, den Maler Giovanni Battista Casanova, zu besuchen, der im Hause Mengs lebte, wo Giacomo selbst zu Gast war. In der Geschichte seines Lebens berichtet er über die Begegnung mit Margherita mit folgenden Worten: «Die Gattin von Mengs war hübsch, anständig, eine gute Mutter, ihren Pflichten und ihrem Mann treu ergeben, obwohl sie ihn schwerlich lieben konnte, denn er war nichts weniger als liebenswürdig. Er war eigensinnig und grausam, und wenn er zu Hause speiste, stand er nie vom Tische auf, ohne betrunken zu sein, außer dem Haus war er mäßig, da er nur Wasser trank. Seine Frau diente ihm geduldig als Modell für alle nackten Frauenkörper, die er malte. Eines Tages sagte sie zu mir, ihr Beichtvater habe dies von ihr verlangt; er habe zu ihr gesagt: Wenn Euer Mann ein anderes Weib zum Modell nimmt, wird er sich an ihm erfreuen, ehe er es malt, und diese Sünde werdet Ihr euch vorzuwerfen haben.»
Casanovas Zeugnis ist sehr aufschlussreich. Elf Jahre nach der von den Verwandten Margheritas erzwungenen und von Mengs sicher nicht beabsichtigten Heirat benutzte dieser seine Frau immer noch als Modell, als welches er sie kennengelernt hatte und das sie in seinen Augen geblieben war, und wenn er sie eine Menge Kinder gebären ließ, so bedeutete dies ebenfalls, dass sie für ihn vor allem ein sexuelles Objekt war. Selbst an seinen Kindern lag ihm nicht viel. Er gab sie gleich nach der Geburt mit einer Amme ins Haus seines Schwiegervaters und holte sie erst zurück, wenn sie etwas größer waren. Zu Hause behandelte er sie dann mit größter Strenge, sodass seine Schwester sie manchmal zu sich nahm, um sie vor den üblichen Züchtigungen zu bewahren. Mengs liebte Margherita nicht mehr, falls er sie je geliebt hatte. Zwar bewunderte er immer noch wie jedermann ihre Schönheit, doch behandelte er sie nicht mit dem Respekt, den ein liebender Ehemann der Gefährtin seines Lebens entgegenbringt. Der Bericht Casanovas ist eine Bestätigung hierfür. Margherita fühlte sich von ihrem Mann ausgenutzt, sie liebte ihn nicht und willigte nur ein, ihm Modell zu stehen, weil ihr Beichtvater es befohlen hatte, um zu verhindern, dass er Liebeshändel mit jenen liederlichen Weibern einging, die berufsmäßig als Modell arbeiteten. Nur diese
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