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Alle Wege führen nach Rom: Die ewige Stadt und ihre Besucher (German Edition)

Alle Wege führen nach Rom: Die ewige Stadt und ihre Besucher (German Edition)

Titel: Alle Wege führen nach Rom: Die ewige Stadt und ihre Besucher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Zapperi
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Situation kann die sonst unerklärliche Liebe Margheritas zu Winckelmann erklären, dem teuersten Freund ihres Mannes. Aber kommen wir zu den Fakten.
    Im September 1758 schrieb Winckelmann aus Florenz einen Brief an Margherita. Sein einfühlsamer und komplimentöser Ton fällt als erstes daran auf. Winckelmann behandelt die Frau seines Freundes wie eine große Dame, er redet sie mit «Madama» an und macht ihr gleich mit delikater Galanterie das Kompliment, einen ebenso erlesenen und feinen Geschmack zu haben wie er selbst. Der mit schriftstellerischer Eleganz geschriebene Brief enthält auch das Geständnis, dies sei «der erste Brief, den ich in meinem Leben an das schöne Geschlecht schreibe». Winckelmann setzte sich über die plebejische Herkunft Margheritas, ihr Analphabetentum und die Tatsache, dass sie sich den Brief vorlesen lassen musste, völlig hinweg. Er schließt mit Grüßen an «unseren Herrn Nicola» und «den Herrn Michelangelo», ein Gruß an den Freund Mengs fehlt indessen. Mit Nicola und Michelangelo waren der Schwager Colarelli und der Vater Margheritas gemeint, die beiden Angehörigen, welche die Heirat erzwungen hatten und deshalb Mengs sicher verhasst waren. Der letzte Gruß «an das ganze Haus» beleuchtet das innige Verhältnis Winckelmanns zur ganzen Familie Mengs. Wie Casanova schreibt, war Winckelmann ein Hausfreund, der gerne mit den Kindern spielte, welche Mengs dagegen, irritiert von ihrem Lärm, aus dem Haus verbannte, zu ihrem Großvater schickte und wenn sie wieder heimkamen, verprügelte.
    Der Brief lässt vermuten, dass schon vor der Übersiedlung des Ehepaars Mengs nach Spanien im Jahr 1761 eine gewisse Vertraulichkeit zwischen Winckelmann und Margherita bestand. Wie weit diese ging, ist schwer zu bestimmen, sicher aber ist, dass Margherita die Aufmerksamkeit, die ihr Winckelmann zuteil werden ließ, sehr schätzte. Diese Vertraulichkeit lässt auch ein Brief Winckelmanns an den Freund Leonhard Usteri erahnen, geschrieben am 20. Februar 1763, als Winckelmann schon von Mengs erfahren hatte, dass Margherita im Begriff war, ohne ihren Gatten von Madrid nach Rom zurückzukehren. Hier heißt es nämlich: «Mich deucht das Magnet wird in der Länge dennoch ziehen», um dann auf italienisch sprichwörtlich und weniger elegant fortzufahren: «Ein Fotzenhaar zieht mehr als ein Paar Ochsen.» Auch abgesehen von den heterosexuellen Prahlereien Winckelmanns, der auf diese Weise seine in Rom wie überall unter Strafe gestellte Homosexualität zu verbergen suchte, weist diese Bemerkung doch darauf hin, dass zwischen den beiden sogar ein intimeres Verhältnis bestand, als es Winckelmanns Brief an Margherita 1758 vermuten lässt. Es konnte jedenfalls zu falschen Vermutungen Anlass geben.
    Mengs zog, wie gesagt, im August 1761 an den Hof des spanischen Königs in Madrid und nahm auch seine Frau mit, die sich erwartungsgemäß in dem hochgestellten Milieu, wie es der Königshof war, nicht zurechtfinden konnte. Sie fühlte sich hier so unwohl, dass sie in eine tiefe Depression verfiel und ihren Mann dazu bewegte, sie in ihre Geburtsstadt zurückkehren zu lassen, um im gewohnten Umkreis wieder zu Kräften zu kommen. So schickte sie Mengs im November 1763 wieder nach Rom zurück und vertraute sie der Fürsorge Winckelmanns an, der darüber natürlich sehr glücklich war. In der Antwort auf einen Brief des Freundes, der nicht erhalten ist, versicherte Mengs, dass er seine Frau «leidenschaftlich wie einen Teil des liebsten Freundes, den ich auf dieser Welt habe», liebe. Dies war durchaus aufrichtig gemeint, aber setzte eine höchst komplizierte Komödie der Irrungen in Gang. Winckelmann war leidenschaftlich in seinen Malerfreund verliebt, wie die zahlreichen Briefe, die er ihm nach Spanien schrieb, bezeugen. Es handelte sich eindeutig um eine homosexuelle Liebe, die sich in das Gewand der Freundschaft kleidete. Die wahre Natur dieser Leidenschaft scheint dennoch in allen Briefen durch.
    Diese Liebe Winckelmanns zu ihrem Mann war Margherita offenbar gleichgültig, vielleicht bemerkte sie sie nicht einmal. Und doch war Winckelmann in ihrem Haus einmal von Giacomo Casanova zusammen mit einem Burschen überrascht worden und hatte diesem darauf seine Homosexualität gestanden. Auf jeden Fall war Margheritas depressiver Zustand so groß, dass sie Trost beim alten, liebevollen Hausfreund suchte, um ihre Niedergeschlagenheit zu überwinden. Zum Überschwang ihrer Gefühle trug sicher auch das Ressentiment

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