Alle Weihnachtserzählungen
gesetzt, um Mrs. Fielding ausfindig zu machen und furchtbar bußfertig gegenüber dieser vortrefflichen Dame zu sein und sie, falls erforderlich, mit Gewalt zurückzuholen, damit sie glücklich sei und verzeihe. Als die Expedition sie entdeckte, wollte sie zunächst unter keinen Umständen zuhören, sondern sagte unzählige Male: „Daß ich so einen Tag erleben mußte!“, und konnte nicht dazu bewogen werden, noch etwas anderes zu sagen als: „Nun tragt mich zu Grabe!“, was absurd erschien, da sie weder tot noch in einem annähernden Zustand war. Nach einer Weile verfiel sie in eine erschreckende Gemütsruhe und bemerkte, daß sie, als jene Folge unglücklicher Umstände im Indigo-Handel eintrat, vorhergesehen hatte, daß sie in ihrem ganzen Leben jeder Art von Beleidigung und Schmach ausgesetzt sein würde und daß sie froh sei, daß dies der Fall war. Sie bat, sie sollten sich um sie keine Sorgen machen – denn wer war sie schon? Du lieber Himmel, ein Nichts! –, sondern sollten vergessen, daß so ein Wesen lebt, und sollten ohne sie ihren Lebensweg beschreiten. Aus dieser verbitterten und sarkastischen Stimmung wechselte sie in eine zornige über, der sie mit der bemerkenswerten Äußerung Luft machte, daß sich der Wurm winde, wenn man ihn trete. Danach ließ sie sich von einem leichten Schmerz übermannen und sagte, daß sie ihnen über alles mögliche Ratschläge erteilen könnte, wenn sie ihr nur Vertrauen schenkten. Diese Krise in ihren Gefühlen nutzte die Expedition aus und umarmte sie, und sehr bald hatte sie ihre Handschuhe an und befand sich in einem Aufzug von untadeliger Vornehmheit auf dem Weg zu Peerybingles, mit einem Karton zur Seite, der eine Haube enthielt, die fast so groß und steif wie eine Mitra war.
Dann sollten Pünktchens Vater und Mutter in einer weiteren kleinen Kutsche kommen; sie hatten Verspätung, und man ängstigte sich und hielt oft nach ihnen auf der Straße Ausschau, und Mrs. Fielding blickte immer in die falsche und dem Verstand nach unmögliche Richtung, und als man sie darauf hinwies, erbat sie sich die Freiheit, dorthin sehen zu dürfen, wohin es ihr beliebte. Endlich kamen sie: ein molliges, kleines Paar, das auf eine vergnügte und gemütliche Weise dahintrottete, wie sie ganz zu Pünktchens Familie paßte. Pünktchen und ihre Mutter Seite an Seite zu sehen war ein wunderbarer Anblick, so sehr ähnelten sie sich.
Dann mußte Pünktchens Mutter ihre Bekanntschaft mit Mays Mutter auffrischen, und Mays Mutter hielt sich an ihre Vornehmheit, und Pünktchens Mutter hielt sich nie auf etwas anderem als ihren flinken, kleinen Füßen. Und der alte Pünktchen – sozusagen Pünktchens Vater, denn ich vergaß seinen richtigen Namen, doch das macht nichts – nahm sich die Freiheit heraus, ihr auf Anhieb die Hände zu schütteln, und schien eine Haube nur für eine Menge Musselin und Wäschestärke zu halten und ließ sich überhaupt nicht von dem Indigo-Handel beeindrucken, sondern sagte, daran sei nun nichts mehr zu ändern; nach Mrs. Fieldings Einschätzung war er ein gutmütiger, doch – du Himmel! – ungehobelter Mann.
Nicht für Geld und gute Worte hätte ich versäumen mögen, wie Pünktchen die Honneurs machte – meinen Segen für dieses strahlende Gesicht! Nein, auch nicht, wie der gute Fuhrmann so heiter und rotbäckig am Fuße der Tafel saß. Auch nicht den braungebrannten, blühend aussehenden Matrosen und seine hübsche Frau. Keinen von ihnen. Das Mittagessen zu versäumen hätte bedeutet, ein so vergnügtes und kräftiges Mahl zu verpassen, wie es der Mensch braucht. Und die überfließenden Becher, aus denen sie auf den Hochzeitstag tranken, zu verpassen wäre das größte Versäumnis gewesen.
Nach dem Essen sang Caleb das Lied vom funkelnden Becher. Und so wahr ich lebe und hoffe, noch ein oder zwei Jahre am Leben zu bleiben, sang er es bis zum Schluß.
Übrigens ereignete sich, gerade als er die letzte Strophe beendete, ein unerwarteter Zwischenfall.
Es klopfte an der Tür, und ein Mann mit etwas Schwerem auf dem Kopf wankte herein, ohne auch nur zu fragen. Mitten auf dem Tisch, genau zwischen den Nüssen und Äpfeln, setzte er es ab und sagte: „Schönen Gruß von Mr. Tackleton, und weil er selbst keine Verwendung für den Kuchen hat, wolln Sie ihn vleicht essen.“
Mit diesen Worten ging er davon.
Wie Sie sich vorstellen können, war die Gesellschaft ziemlich überrascht. Mrs. Fielding, eine Dame mit ungeheurem Scharfsinn, hielt den Kuchen für
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