Alle Weihnachtserzählungen
sagte Caleb frohlockend. „Schau her!
Mein Sohn aus dem goldnen Südamerika! Mein eigner Sohn! Derjenige, den du selbst ausgestattet und weggeschickt hast! Derjenige, dem du immer ein guter Freund gewesen bist!“
Der Fuhrmann kam näher, um seine Hand zu ergreifen, prallte jedoch zurück, als irgendein Gesichtszug die Erinnerung an den schwerhörigen Mann im Wagen in ihm wachrief, und sagte:
„Edward, warst du es?“
„Nun erzähle ihm alles!“ rief Pünktchen. „Erzähle ihm alles, Edward, und schone mich nicht, denn ich werde mich auch nie wieder in seinen Augen schonen.“
„Ich war der Mann“, sagte Edward.
„Und du konntest dich verkleidet in das Haus deines Freundes einschleichen?“ entgegnete der Fuhrmann. „Es gab mal einen aufrichtigen Jungen – wie viele Jahre ist es her, Caleb, daß wir hörten, er is tot, und die Nachricht schien auch glaubwürdig –, der so was nie getan hätte.“
„Ich hatte einmal einen hochherzigen Freund, mehr einen Vater als Freund“, sagte Edward, „der mich oder irgendeinen andren Menschen nie verurteilt hätte, ohne mich vorher anzuhören. Der warst du. Ich bin gewiß, daß du mich jetzt anhören wirst.“
Der Fuhrmann, der sich noch ein Stück abseits von Pünktchen hielt, warf ihr einen besorgten Blick zu und antwortete: „Nun, das ist nur recht und billig. Ich höre.“
„Du mußt wissen, daß ich, als ich damals hier wegging, verliebt war“, sagte Edward, „und meine Liebe erwidert wurde. Sie war ein sehr junges Mädchen, das vielleicht selbst nicht wußte, was es wollte (du kannst es mir sagen). Ich aber wußte es und hatte eine Schwäche für sie.“
„Das hattest du?“ rief der Fuhrmann. „Du?“
„Wirklich“, erwiderte der andere. „Und sie erwiderte sie. Immer habe ich das geglaubt, und nun bin ich mir dessen sicher.“
„Der Himmel steh mir bei!“ sagte der Fuhrmann. „Das ist ja schlimmer als alles andre.“
„Ich hielt ihr die Treue“, sagte Edward, „und als ich nach vielen Mühen und Gefahren hoffnungsvoll zurückkehrte, um mein Eheversprechen einzulösen, erfuhr ich, zwanzig Meilen von hier entfernt, daß sie mir untreu geworden, mich vergessen hatte und sich einem anderen, reicheren Mann zur Frau gegeben hatte. Ich hatte nicht die Absicht, ihr Vorwürfe zu machen, aber ich wollte sie sehen und feststellen, daß dies ohne allen Zweifel stimmte. Ich hoffte, sie wäre gegen ihren Willen und ihre Erinnerungen dazu gezwungen worden. Es wäre ein schwacher Trost gewesen, aber es wäre wenigstens einer gewesen, dachte ich und kam her. Um die Wahrheit, die nackte Wahrheit zu erfahren und um ohne Hindernis einerseits oder meinen Einfluß auf sie andererseits (falls ich den überhaupt hatte) ungehindert selbst feststellen und mir mein Urteil bilden zu können, verkleidete ich mich – du weißt, wie – und wartete auf der Straße – du weißt, wo. Du hattest keine Ahnung von mir. Sie auch nicht“, er wies auf Pünktchen, „bis ich ihr am Kamin etwas ins Ohr flüsterte und sie mich beinahe verriet.“
„Aber als sie wußte, daß Edward am Leben und zurückgekommen war“, schluchzte Pünktchen und sprach nun für sich selbst, worauf sie während des Berichts schon gebrannt hatte, „und als sie seine Absicht kannte, riet sie ihm, unter allen Umständen sein Geheimnis zu hüten, denn sein alter Freund John Peerybingle war in seinem Wesen zu offen und in bezug auf irgendwelche Listen zu ungeschickt – er ist auch sonst ein unbeholfener Mann“, sagte Pünktchen, halb lachend, halb weinend, „als daß er es für sich behalten könnte. Und als sie – das bin ich, John –“, schluchzte die kleine Frau, „ihm alles erzählte und wie sein Schatz ihn für tot gehalten hatte und wie sie schließlich von ihrer Mutter zu einer Heirat überredet worden war, die die dumme, alte Gans vorteilhaft nannte; und als sie – das bin wieder ich, John – ihm erzählte, daß sie noch nicht verheiratet seien (obgleich kurz davor) und daß es nichts weiter als ein Opfer sei, wenn die Ehe zustande käme, weil sie ihn nicht liebte; und als er darüber vor Freude fast wahnsinnig wurde, sagte sie – das bin wieder ich –, sie würde vermitteln, wie sie es in früheren Zeiten oft getan hatte, John, und seinen Schatz prüfen und sich vergewissern, daß das, was sie – wieder ich, John – sagte und dachte, auch richtig war. Und es war richtig, John! Und sie wurden zusammengebracht, John! Und sie haben vor einer Stunde geheiratet, John! Und hier
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