Alle Weihnachtserzählungen
Sie die Feiertage über hierbleiben und krank sind, während alle anderen verschwinden? Ich möchte wissen, warum das so ist.“
Der junge Mann, der ihm mit wachsender Erregung zugehört hatte, hob die niedergeschlagenen Augen zu seinem Gesicht auf, schlug die Hände zusammen und rief mit plötzlichem Ernst und mit zitternden Lippen:
„Mr. Redlaw! Sie haben mich ausfindig gemacht. Sie kennen mein Geheimnis!“
„Geheimnis?“ fragte der Chemiker scharf. „Ich kenne es?“
„Ja! Ihr Verhalten, das so verschieden ist gegenüber dem Interesse und der Anteilnahme, die Ihnen die Zuneigung so vieler Herzen eintragen; Ihre veränderte Stimme; die Befangenheit in Ihren Blicken und bei allem, was Sie sagen“, antwortete der Student, „zeigen mir, daß Sie mich kennen. Daß Sie es selbst jetzt verheimlichen wollen, ist mir nur ein Beweis (ich brauche, weiß Gott, keinen!) für Ihre übliche Güte und die Schranke zwischen uns.“
Ein geistesabwesendes und verächtliches Lachen war seine einzige Antwort.
„Aber, Mr. Redlaw“, sagte der Student, „als gerechter und guter Mensch bedenken Sie, wie unschuldig ich – mit Ausnahme des Namens und der Herkunft – an irgendeinem Unrecht bin, das Ihnen zugefügt wurde, oder an irgendeinem Leid, das Sie ertragen haben.“
„Leid!“ sagte Redlaw lachend. „Unrecht! Was ist das für mich?“
„Um Himmels willen“, flehte der zurückweichende Student, „verändern Sie sich nicht derart, Sir, nur weil Sie ein paar Worte mit mir gewechselt haben! Kennen und beachten Sie mich nicht mehr. Lassen Sie mich meinen alten zurückhaltenden und unbedeutenden Platz unter denen ein- nehmen, die Sie unterrichten. Kennen Sie mich nur unter dem Namen, den ich angenommen habe, und nicht unter Longford –“
„Longford!“ rief der andere aus.
Er umklammerte seinen Kopf mit beiden Händen und wandte einen Augenblick sein intelligentes und gedankenvolles Gesicht dem jungen Mann zu. Doch das Licht verschwand von ihm wie ein momentaner Sonnenstrahl, und es verfinsterte sich wie vorher.
„Der Name, den meine Mutter trägt, Sir“, stammelte der junge Mann, „der Name, den sie annahm, als sie vielleicht einen geehrteren hätte annehmen können, Mr. Redlaw“, er zögerte, „ich glaube, ich kenne diese Geschichte. Wo mein Wissen endet, können meine Vermutungen darüber, was fehlt, das ersetzen, was der Wahrheit recht nahe kommt. Ich bin das Kind einer Ehe, die sich nicht als harmonisch oder glücklich erwiesen hat. Von Kindheit an habe ich von Ihnen mit Ehrerbietung und Achtung, ja fast mit Ehrfurcht sprechen hören. Ich habe von solcher Hingabe und Seelenstärke und Güte gehört, von solchem Ankämpfen gegen die Hindernisse, die sich Menschen in den Weg legen, daß meine Phantasie Ihrem Namen Glanz verlieh, seit ich von meiner Mutter meine kleine Lektion gelernt habe. Und da ich schließlich ein armer Student war, von wem konnte ich lernen außer von Ihnen?“
Redlaw, der unbewegt und unverändert war und ihn mit starrem Stirnrunzeln ansah, antwortete mit keinem Wort oder Zeichen.
„Ich kann nicht sagen“, fuhr der andere fort, „ich würde vergeblich versuchen, zu sagen, wie stark es mich beeindruckt und gerührt hat, die glücklichen Spuren der Vergangenheit in jener gewissen Macht wiederzufinden, Dankbarkeit und Vertrauen zu erringen, die unter uns Studenten (bei den ärmsten am meisten) mit dem edlen Namen Mr. Redlaw verbunden ist. Wir sind in Alter und Rang so verschieden, Sir, und ich bin es gewohnt, Sie aus einer Entfernung zu betrachten, daß ich mich über meine Anmaßung wundere, wenn ich dieses Thema berühre, und sei es noch so behutsam. Aber einem, der für meine Mutter einmal, das darf ich wohl sagen, kein alltägliches Interesse aufgebracht hat, mag es etwas bedeuten, zu hören – nun, da alles vorbei ist –, mit welch unbeschreiblichen Gefühlen der Zuneigung ich ihn in meiner Verborgenheit betrachtet habe; mit welchem Schmerz und Widerstreben ich mich seinen Ermutigungen ferngehalten, wenngleich mich ein Wort davon reich gemacht hätte; und wie ich es für richtig hielt, meinen Kurs beizubehalten und zufrieden zu sein, wenn ich ihn kenne und unbekannt bleibe. Mr. Redlaw“, sagte der Student schwach, „was ich sagen wollte, habe ich ungeschickt gesagt, denn meine Ausdruckskraft ist mir noch ungewohnt, aber verzeihen Sie mir alles Verabscheuungswürdige an meiner arglistigen Täuschung, und im übrigen vergessen Sie mich!“
Das starre Stirnrunzeln blieb
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