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Alle Weihnachtserzählungen

Alle Weihnachtserzählungen

Titel: Alle Weihnachtserzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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meines armen alten Vaters und den Gedanken an all den Kummer, zu dem ich Anlaß gab, und all das Unrecht und Leid, das ich verursacht habe, das …“
    War es das äußerste Ende, zu dem er gekommen, oder war es der Beginn einer weiteren Veränderung, die ihn innehalten ließ?
    „… das ich, ich in Ordnung bringen kann, wo doch mein Verstand so sehr, so schnell vergeht, versuchen werde. Hier war ein anderer Mann. Haben Sie ihn gesehn?“
    Redlaw konnte mit keiner Silbe antworten, denn als er dieses schicksalsschwere Zeichen – wie die Hand über die Stirn strich – sah, das er jetzt so gut kannte, erstarb seine Stimme. Aber er gab zu verstehen, daß er ihn gesehen hatte.
    „Er ist mittellos, hungrig und verlassen. Er ist völlig niedergeschlagen, und es gibt keine Rettung mehr für ihn. Kümmern Sie sich um ihn! Verlieren Sie keine Zeit! Ich weiß, er trägt sich mit dem Gedanken, sich umzubringen.“
    Es wirkte. Es war auf seinem Gesicht. Sein Gesicht veränderte sich, wurde härter, verfinsterte sich in allen Schattierungen und streifte jeglichen Kummer ab.
    „Erinnern Sie sich nicht? Kennen Sie ihn nicht?“ beharrte er.
    Einen Augenblick lang bedeckte er sein Gesicht mit der Hand, die wieder über seine Stirn strich, und dann beugte er sich rücksichtslos, brutal und gleichgültig zu Redlaw herab.
    „Ach, hol euch der Kuckuck!“ sagte er, finster um sich blickend, „was habt ihr hier mit mir gemacht? Ich habe unerschrocken gelebt, und ich werde unerschrocken sterben. Zum Teufel mit euch!“
    Und damit legte er sich aufs Bett und zog die Arme hoch über Kopf und Ohren, entschlossen, von nun an für nichts mehr zugänglich zu sein und in seiner Gleichgültigkeit zu sterben.
    Wenn Redlaw vom Blitz getroffen worden wäre, hätte er ihn mit keinem größeren Schock vom Bett wegstoßen können. Aber der alte Mann, der das Bett verlassen hatte, während sein Sohn zu ihm sprach, und nun zurückkehrte, wich ebenfalls rasch und voller Abscheu zurück.
    „Wo is mein Sohn William?“ fragte der alte Mann hastig. „William, komm weg von hier! Wir gehn nach Hause.“
    „Nach Hause, Vater?“ entgegnete William. „Willst du deinen eignen Sohn verlassen?“
    „Wo is mein eigner Sohn?“ erwiderte der alte Mann.
    „Wo? Na da!“
    „Das is nich mein Sohn“, sagte Philip, vor Groll zitternd. „So ’n Schuft wie der hat keinen Anspruch auf mich. Meine Kinder sind ’n erfreulicher Anblick, und sie warten auf mich und halten Essen und Trinken für mich bereit und sind mir nützlich. Ich hab ein Recht drauf! Ich bin siebenundachtzig!“
    „Du bist nun wirklich alt genug geworden“, murmelte William und sah ihn widerwillig an, die Hände in den Taschen. „Ich weiß selber nich, wozu du gut bist. Wir könnten ’ne ganze Menge mehr Spaß haben ohne dich.“
    „Mein Sohn, Mr. Redlaw!“ sagte der alte Mann. „Auch mein Sohn! Der Junge spricht zu mir von meinem Sohn! Ha, was hat er denn getan, um mir Freude zu bereiten, das möcht ich mal wissen!“
    „Ich weiß nich, was du je getan hast, um mir eine Freude zu machen“, sagte William mürrisch.
    „Laß mich überlegen“, sagte der alte Mann. „Wie oft hintereinander habe ich zu Weihnachten an meinem warmen Platz gesessen und brauchte nich in die kalte Abendluft raus und habe mich amüsiert, ohne daß ich von einem so unangenehmen und abscheulichen Anblick wie dem da gestört wurde? Isses zwanzigmal, William?“
    „Beinah vierzig, scheint’s“, murmelte er. „Also, wenn ich mir so meinen Vater ansehe, Sir, und darüber nachdenke“, wandte er sich mit einer Ungeduld und Verärgerung an Redlaw, die völlig neu an ihm waren, „soll ich verflucht sein, wenn ich etwas andres an ihm sehe als einen Kalender so vieler Jahre, in denen er gegessen und getrunken und es sich immer wieder gemütlich gemacht hat.“
    „Ich – ich bin siebenundachtzig“, sagte der alte Mann, kindisch und schwach weiterredend, „und ich weiß nich, ob ich mich je schon mal über etwas so geärgert hab. Ich fange jetz nich mit dem an, was er meinen Sohn nennt. Er is nich mein Sohn. Ich hab die Kraft angenehmer Zeiten. Ich erinnere mich an das eine Mal – nein, ich erinnere mich nich –, nein, es is weg. Es war etwas mit einem Kricketspiel und einem Freund, aber irgendwie isses weg. Ich möcht gern wissen, wer das war – ich glaube, ich mochte ihn leiden. Und ich möcht gern wissen, was aus ihm geworden is – ich nehme an, er is gestorben. Aber ich weiß es nicht. Und es is mir

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