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Alle Weihnachtserzählungen

Alle Weihnachtserzählungen

Titel: Alle Weihnachtserzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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auch egal. Es macht mir überhaupt nichts aus.“
    Während er schläfrig vor sich hin kicherte und den Kopf schüttelte, steckte er die Hände in seine Westentaschen. In einer fand er ein Stückchen von einer Stechpalme (vermutlich vom vergangenen Abend), was er nun herausnahm und betrachtete.
    „Beeren, was?“ sagte der alte Mann. „Ach, schade, daß man sie nich essen kann. Ich erinnere mich, als ich ein kleiner Kerl war – ungefähr so groß – und spazierenging mit – ich muß mal überlegen – mit wem ging ich spazieren? Nein, ich erinnere mich nich, wer das war. Ich erinnere mich nich, ob ich je mit irgend jemand spazierengegangen bin oder ob ich mich um jemand gekümmert hab oder sich jemand um mich. Beeren, was? Wo Beeren sind, is gute Stimmung. Nun, ich sollte meinen Anteil dran bekommen und bedient werden und es warm und bequem haben, denn ich bin siebenundachtzig und ein armer alter Mann. Ich bin siebenundachtzig. Sieben-und-acht-zig!“
    Wie er da jämmerlich sabbernd an den Blättern knabberte, als er das wiederholte, und die Stückchen ausspuckte; der kalte, desinteressierte Blick, mit dem ihn sein jüngster Sohn (so verwandelt) betrachtete; die entschiedene Apathie, mit der sein ältester Sohn dalag, gefühllos gemacht durch seine Sünde, beeindruckten Redlaws Beobachtungen nicht mehr, denn er riß sich los von dem Fleck, an den seine Füße gebannt zu sein schienen, und rannte aus dem Haus.
    Sein Führer kam aus dem Versteck hervorgekrochen und wartete auf ihn, ehe er die Bögen erreichte.
    „Zur Frau zurück?“ fragte er.
    „Zurück, schnell!“ antwortete Redlaw. „Bleib nirgends unterwegs stehen.“
    Eine kurze Strecke lief der Junge vorneweg; aber ihr Rückweg glich eher einem Flug als einem Spaziergang, und seine nackten Füße konnten gerade noch mit den Riesenschritten des Chemikers mithalten. Vor allen Vorübergehenden zurückweichend, sich in seinen Umhang hüllend und ihn dicht an sich pressend, als ob mit einer flüchtigen Berührung seiner Kleidung tödliche Ansteckung verbunden sei, hielt er nicht an, bis sie die Tür erreichten, aus der sie gekommen waren. Er schloß sie mit seinem Schlüssel auf, ging, von dem Jungen begleitet, hinein und hastete durch die dunklen Korridore zu seinem Zimmer.
    Der Junge beobachtete ihn, als er die Tür verschloß, und verzog sich hinter den Tisch, als er sich umschaute.
    „He!“ sagte er. „Fassen Sie mich nicht an! Sie haben mich doch nicht hierhergebracht, um mir mein Geld wegzunehmen.“
    Redlaw warf noch etwas auf den Boden. Er stürzte sich sofort mit seinem Körper darüber, als wollte er es vor ihm verstecken, damit ihn der Anblick nicht verführen sollte, es zurückzufordern. Und erst als er sah, wie er neben der Lampe saß und das Gesicht in den Händen verborgen hielt, begann er es verstohlen aufzulesen. Danach kroch er ans Feuer, setzte sich davor in einen großen Stuhl und holte von seiner Brust ein paar Speisereste hervor und begann schmatzend in die Glut zu starren, wobei er hin und wieder seine Schillinge betrachtete, die er in der einen Hand in einem Bündel zusammenpreßte.

    „Und das ist der einzige Gefährte“, sagte Redlaw und sah ihn mit wachsender Abneigung und Furcht an, „den ich auf Erden zurücklasse.“
    Wie lange es dauerte, ehe er aus seinem Nachdenken über dieses Geschöpf, das er so fürchtete, geweckt wurde – ob eine halbe Stunde oder die halbe Nacht –, wußte er nicht. Doch die Stille des Zimmers wurde von dem Jungen unterbrochen (er hatte gesehen, daß er lauschte), der auffuhr und zur Tür lief.
    „Da kommt die Frau!“ rief er aus.
    Der Chemiker hielt ihn auf seinem Wege in dem Moment auf, als sie anklopfte.
    „Lassen Sie mich zu ihr gehen, hören Sie!“ sagte der Junge.
    „Jetzt nicht“, erwiderte der Chemiker. „Bleib hier. Niemand darf jetzt in dieses Zimmer oder heraus. Wer ist da?“
    „Ich bin’s, Sir“, rief Milly. „Bitte, Sir, lassen Sie mich ein!“
    „Nein, um nichts in der Welt!“ sagte er.
    „Mr. Redlaw, Mr. Redlaw, bitte, Sir, lassen Sie mich ein.“
    „Was ist los?“ fragte er und hielt den Jungen fest.
    „Dem elenden Mann, den Sie sahen, geht es schlechter, und nichts, was ich zu ihm sage, kann ihn aus seiner furchtbaren Verblendung herausreißen. Williams Vater wurde innerhalb weniger Augenblicke kindisch. William selbst hat sich verändert. Der Schock kam zu plötzlich für ihn. Ich kann ihn nicht verstehen. Er ist nicht mehr er selbst. O Mr. Redlaw, geben Sie

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