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Alle Weihnachtserzählungen

Alle Weihnachtserzählungen

Titel: Alle Weihnachtserzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Kein Wort sonst. Das war ihre Begegnung, ihre Unterhaltung, ihr Abschied.
    Scrooge war zunächst verwundert, daß der Geist so offenbar nebensächlichen Gesprächen Bedeutung beimessen sollte, da er aber als sicher annahm, daß ein verborgener Sinn in ihnen steckte, sann er darüber nach, was das wohl sein könnte. Es war kaum anzunehmen, daß sie in irgendeiner Beziehung zum Tode Jacobs, seines ehemaligen Partners, stünden, denn der lag in der Vergangenheit, und der Wirkungsbereich dieses Geistes war die Zukunft. Auch fiel ihm niemand ein, der eng mit ihm verknüpft war und auf den er sie beziehen könnte. Da aber kein Zweifel darüber bestand, daß die Gespräche, auf wen auch immer sie Bezug hatten, eine versteckte Lehre zu seiner Besserung enthielten, beschloß er, jedes Wort, das er hörte, und alles, was er sah, wie einen Schatz zu hüten und besonders seinen eigenen Schatten zu beobachten, wenn er erschiene. Denn er erwartete, daß das Verhalten seines künftigen Selbst ihm den fehlenden Schlüssel geben und die Lösung dieser Rätsel erleichtern würde.
    Er sah sich an diesem Ort gleich nach seinem Ebenbild um, aber ein anderer Mann stand in seiner gewohnten Ecke, und obwohl die Uhr die Zeit anzeigte, zu der er gewöhnlich da war, entdeckte er unter der Menschenmenge, die durch das Portal hereinströmte, keinen, der ihm ähnlich sah. Er war ein wenig überrascht, denn er hatte sich schon einen Lebenswandel überlegt und glaubte und hoffte, seine neugeborenen Entschlüsse in die Tat umgesetzt zu sehen.
    Still und düster, mit ausgestreckter Hand, stand die Erscheinung neben ihm. Als er sich von seinen Grübeleien aufraffte, bildete er sich ein, nach der Haltung der Hand und der Richtung auf ihn zu urteilen, daß ihn die unsichtbaren Augen scharf musterten. Er schauerte und fröstelte.
    Sie verließen die geschäftige Szene und begaben sich in einen unbekannten Stadtteil, den Scrooge vorher nie betreten hatte, obgleich er dessen Lage und schlechten Ruf kannte. Die Wege waren schmutzig und eng, die Geschäfte und Häuser ärmlich, die Menschen halb nackt, betrunken, schlampig und häßlich. Die Gäßchen und Torwege, ähnlich den vielen Sickergruben, spien ihre widerlichen Gerüche, Schmutz und Menschen in die verzweigten Straßen aus, und das ganze Viertel roch nach Verbrechen, Unrat und Elend.
    Weit drin in dieser Lasterhöhle gab es einen düsteren, vorspringenden Laden unter einem Schutzdach, wo Eisen, Lumpen, Flaschen, Knochen und schmierige Fleischabfälle angekauft wurden. Drinnen auf dem Fußboden lagen haufenweise rostige Schlüssel, Nägel, Ketten, Scharniere, Feilen, Waagen, Gewichte und Eisenabfälle aller Art. Geheimnisse, die nur wenige lüften möchten, wurden unter Bergen von häßlichen Lumpen, Mengen von verdorbenem Fett und in wahren Grabstätten von Knochen ausgebrütet und versteckt. Mitten unter den Waren, mit denen er handelte, saß an einem aus alten Ziegeln errichteten Holzkohlenofen ein grauhaariger, fast siebzigjähriger Schurke, der sich von der kalten, von draußen eindringenden Luft durch einen unordentlichen, aus Fetzen zusammengesetzten und über eine Leine geworfenen Vorhang abschirmte und, die stille Abgeschiedenheit genießend, seine Pfeife rauchte.
    Scrooge und der Geist kamen gerade zu diesem Mann, als eine Frau mit einem schweren Bündel in den Laden schlich. Aber kaum hatte sie ihn betreten, als eine andere, ähnlich beladene Frau dazukam; ihr wiederum folgte ein Mann in einem verblichenen, schwarzen Anzug, der bei ihrem Anblick nicht weniger verdutzt war, als sie es beim gegenseitigen Erkennen gewesen waren. Nach einer Weile sprachlosen Erstaunens, das auch der alte Mann mit der Pfeife teilte, brachen sie alle drei in Lachen aus.
    „Verlaß dich drauf, die Putzfrau war zuerst da!“ rief die Frau, die als erste gekommen war. „Und die Waschfrau war die zweite und der Gehilfe des Leichenbestatters der dritte. Sieh mal, alter Joe, das ist vielleicht ein Zufall! Treffen wir drei uns hier, ohne es zu ahnen.“
    „Ihr hättet euch an keinem besseren Ort treffen können“, sagte der alte Joe und nahm die Pfeife aus dem Mund. „Kommt in die gute Stube. Du hast schon lange freien Zutritt, das weißt du, und die beiden andern sind auch keine Fremden. Wartet, ich will erst die Ladentür zumachen. Huch, wie die quietscht! Ich glaube, im ganzen Laden gibt es nicht so ’n rostiges Stück Metall wie die Türangel, und ich bin sicher, daß es hier keine so alten Knochen gibt wie

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