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Alle Zeit - Roman

Alle Zeit - Roman

Titel: Alle Zeit - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Gerlof
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nach ihm sehnt. Vielleicht
     hat Klara ihm das Geld gegeben, um Henriette den Sohn zu nehmen. Weil Henriette sich selbst und damit Klara die Tochter entriss.
     Elisa findet diesen theatralischen Gedanken für einen Moment sehr logisch. Klara verkauft ihr Haus, gibt Olaf das Geld, ermahnt
     ihn, dieses Land damit für immer und ewig zu verlassen und sich nie bei seiner Mutter oder seiner Schwester zu melden. Es
     hätte so sein können.
    Dein Sohn, Henriette, hat die alte Dame wohl um das Geld gebeten. So erzählten es meine Eltern, die noch lange mit Klara Kontakt
     hatten. Meine Eltern sind vor zehn Jahren gestorben. Kurz nacheinander. Erst meine Mutter, hier in dem Haus und im Bett, wie
     sie es sich gewünscht hat. Und mein Vater hat sich zwei Monate später auf den Weg gemacht, ihr zu folgen. War allerdings nicht
     so einfach für ihn. Zwei missglückte Suizidversuche, und nach dem zweiten dann an den Rollstuhl gebunden. Verletzung der Halswirbelsäule
     bei dem Versuch, sich zu erhängen. Da unten. Olaf zeigt aus dem Fenster vage in Richtung der hohen Tannen auf dem hinteren
     Teil desGrundstücks. Hat einen Strick um einen Ast geschlungen und sich dann reingehängt. Und ich hab ihn gefunden und abgeschnitten
     und wiederbelebt. Vielleicht ist erst dabei die Halswirbelsäule kaputtgegangen. Wer weiß. Die Ärzte haben immer behauptet,
     es sei schon beim Strangulierungsversuch geschehen. Ich glaube das nicht.
    Olaf kommt vom Hölzchen aufs Stöckchen, denkt Elisa und findet einmal mehr, dass ihr diese Menschen meist sympathisch sind.
     Die nicht linear erzählen können, sondern sich ablenken lassen von jeder kleinen Nebengeschichte. Zeitraubend ist das und
     schön, jemandem zuzuhören, der einfach nicht lassen kann von all den Erklärungen, die den Fortgang einer Erzählung begleiten.
     Obwohl dieses Nebengleis hier deprimierend ist.
    Olaf kramt in einer Schublade des Küchenbuffets und findet eine Schachtel Zigaretten. Die krümeln wahrscheinlich schon, sagt
     er und zündet sich trotzdem eine an. Meine Eltern jedenfalls haben hin und wieder mit Klara telefoniert und ihr Briefe geschrieben.
     Was mit dem Haus passiert und wie es hier oben in der Siedlung läuft. Klara schien das auch zu interessieren. Nach jedem Brief
     rief sie an, um sich das eine oder andere ausführlicher berichten zu lassen, als es im Brief beschrieben war. Als meine Mutter
     begraben wurde, kam Klara sogar zur Beerdigung. Damals habe ich sie gefragt, wie es dir geht, und sie hat gesagt, sie wisse
     es nicht.
    Mehr nicht? Mehr hat sie nicht gesagt?, fragt Henriette und klingt dabei ganz atemlos.
    Doch, ich habe nachgefragt, und sie hat etwas von einem Zerwürfnis gemurmelt. Ein irreparables Unglück hat sie es genannt.
     Und weil sie so unglücklich aussah, habe ich dann das Thema gewechselt. Außerdem war mir selbst zum Heulen zumute, am Grab
     meiner Mutter.
    Elisa schaut Olaf an, den Baumhausgeliebten ihrer Mutter,und sieht ein Unglück in seinen Augen. Das bildet sie sich vielleicht auch ein, dass es noch zu sehen ist, weil sie es sich
     wünscht. Sie greift nach der Schachtel auf dem Tisch und zündet sich die zweite Zigarette an diesem Tag an. Die schmeckt schon
     ein wenig besser als die erste.
    Elisa schaut auf Henriettes gerunzelte Stirn und überlegt, ob sie unter diesen ganzen Umständen, wären sie ihr nur bekannt
     gewesen, die Erinnerungsreise mit ihrer Mutter nicht vermieden hätte. In einer ganz gewissen Weise gerät hier alles ins Wanken.
     Im Rahmen unserer Möglichkeiten, denkt Elisa und grinst ein wenig, steckt offensichtlich mehr, als wir gedacht haben.
    Klara hatte das Haus an ein etwas älteres Ehepaar verkauft. Das kam, glaube ich, aus Magdeburg und zahlte damals bar und sofort.
     Wie das so üblich war in der DDR. Wir haben gespart und dann das ganze Geld auf den Tisch gelegt, wenn es etwas Gutes zu kaufen
     gab. Oder die zehn Jahre Wartezeit vorbei waren. Für das Auto.
    Am Anfang kamen sie oft, die Frau und der Mann aus Magdeburg, aber sie haben nie etwas am Haus gemacht. Sind einfach nur für
     ein Wochenende da gewesen, haben auf der Terrasse gesessen, sind wandern gegangen und dann wieder abgefahren. Alles blieb,
     wie es war. Klara hatte ja fast die ganze Einrichtung hiergelassen. Und deshalb bestand auch keine Notwendigkeit. Aber sonderbar
     war es schon, dass die beiden rein gar nichts änderten. Als hätten sie nur auf eine Gelegenheit wie diese gewartet, die ihnen
     die Möglichkeit gab, sich einfach in

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