Allein gegen die Hölle
den Kopf und seine Hand mit der Winchester schwang herum, als er tief unter sich ein Mündungsfeuer durch die Dunkelheit blitzen sah. Im nächsten Sekundenbruchteil vernahm er einen schmetternden Knall neben sich in der Felswand. Ein ungemein harter Schlag prellte ihm die Winchester aus der linken Hand und Steinsplitter spritzten ihm ins Gesicht. Er wollte noch nach dem Gewehr greifen, doch in diesem Moment glitt es scheppernd über glattes Gestein und verschwand hinter der Felskante. Ein paar Mal hörte er noch, wie die Waffe gegen den Fels prallte, dann jaulte eine weitere Kugel dicht über ihn hinweg.
Cherry schrie auf. Der große Mann kümmerte sich nicht darum. Er zog den Kopf zwischen die Schultern und hieb dem Palomino die flache Hand klatschend auf die Hinterbacke, dass der Hengst einen Satz nach vorn machte und Lassiter, der den Schweif nicht losließ, mitriss.
Dann waren sie in den dunklen Felsspalt eingetaucht, der sich nach ein paar Yards öffnete und auf den mit Geröll übersäten breiteren Weg mündete, der nach unten auf die wellige Ebene und das Dorf zu führte.
Lassiter war neben dem Palomino. »Rutsch nach hinten!«, keuchte er. Zwei Sekunden später saß er wieder im Sattel, nahm die Zügel auf und lenkte den Hengst den Weg hinab. Hohl hallte das Klappern der Hufe von den Felswänden wider.
»Sie haben uns eingeholt!«, rief Cherry voller Entsetzen.
»Dreh nicht durch.« Lassiter griff nach hinten und legte ihr die Hand auf den Oberschenkel, um sie zu beruhigen. »Bevor sie oben am Pass angelangt sind, haben wir mindestens eine halbe Meile Vorsprung herausgeholt. Ihre Pferde werden noch mehr erschöpft sein als der Palomino.«
»Dein Wort in Gottes Ohr«, hauchte Cherry. Dann umschlang sie ihn mit ihren Armen und verkrallte ihre Finger in seinem Hemd.
Lassiter blickte zu den Lichtern von Salida de Bravo hinüber. Nein, er würde nicht den Weg zum Dorf nehmen und damit in Kauf nehmen, dass die Leute dort in seinen Kampf hineingezogen wurden. Er verließ den immer breiter gewordenen Weg und ritt quer durch das Gelände in westliche Richtung, wo der Mond nur noch zur Hälfte über den Horizont schaute. Als er den Kopf drehte, sah er, dass der graue Streifen des frühen Tages sehr viel breiter geworden war und an seinem unteren Ende eine rötliche Färbung annahm, die bereits den Aufgang der Sonne ankündigte.
Er schaute wieder nach vorn. Als er einen Hügelkamm überquerte, stockte ihm der Atem, und abrupt brachte er den Palomino zum Stehen. Cherry stieß einen Laut des Erschreckens aus und fragte schrill: »Was ist, Lassiter?«
Er knirschte mit den Zähnen, denn er hatte sofort die richtigen Schlüsse aus dem gezogen, was er sah. Die schräg in den dunklen Morgenhimmel steigende graue Staubwolke kündigte eine Reiterschar an, die in hohem Tempo in seine Richtung unterwegs war, und er wusste, dass es nur Colemans Leute sein konnten, die ihm den Weg durch die Berge nach El Paso versperrt hatten. Wahrscheinlich hatten sich die beiden Gruppen mit Lichtzeichen verständigt, dass es für die Flüchtenden nur einen zweiten Weg gab, den Rio Grande zu erreichen, und die Männer in den Bergen waren umgehend losgeritten, Lassiter und der befreiten Geisel den Weg zum großen Fluss, auf dessen anderem Ufer Texas lag, zu verlegen.
»Warum reitest du nicht in den Ort?«, fragte Cherry keuchend. »Wenn wir den Leuten viel Geld versprechen, werden sie vielleicht mit uns gegen die Banditen kämpfen!«
Lassiter schüttelte den Kopf. »Das sind Bauern und keine Kämpfer. Vielleicht hat der eine oder andere einen alten Vorderlader, das wird aber auch alles sein. Sie haben Angst vor den Banditen. Wahrscheinlich würden sie sich sogar auf ihre Seite schlagen, um nicht von ihnen behelligt zu werden.«
»Aber was sollen wir dann tun?« Ihre Stimme wurde jetzt schrill. Bisher hatte sie in allen Situationen die Fassung bewahrt, doch der Gedanke, dass ihre Flucht hier beendet war und sie bald zurück in Santa Eulalia sein und der dreckige, betrunkene Ben Coleman sie wie ein Tier besteigen würde, löste offenbar Panik in ihr aus.
Lassiter kniff die Lider zusammen. Die flache dunkle Erhebung in der großen Mulde, die er eine Meile vor sich sah und die er zuerst für einen Erdbuckel gehalten hatte, entpuppte sich im allmählich heller werdenden Morgenlicht als eine flache Adobehütte. Licht brannte dort nicht. Vielleicht war es ein verlassener Rancho, in dessen Hütte sie Deckung finden und sich gegen die Banditen
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