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Allein in der Wildnis

Allein in der Wildnis

Titel: Allein in der Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne LaBastille
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ein Bild von mir zu verbreiten, das derlei ein für allemal unterband. Ich wählte einen abgetragenen Stetson, schnallte mir den 38er Revolver um und zog große Stiefel an. Mit dem Boot raste ich über den See, sprang an Land und rannte zu ihrer Hüttentür. Boller-boller-boller. Keine Antwort. Schließlich öffnete ein aufgedunsen aussehender Mann in roter Unterwäsche schlaftrunken die Tür.
    Ehe er ein einziges Wort sagen konnte, schrie ich ihn an: »Was, zum Teufel, haben Sie und Ihre Freunde sich letzte Nacht eigentlich gedacht? Meinen Namen über den See zu brüllen! Ich versuche ein Buch zu schreiben und finde Ihr Benehmen unerhört. Damit Sie’s wissen: Wenn irgendeiner von Ihnen ungebeten mein Land betritt oder meinem Anleger zu nahe kommt, schieße ich zuerst und frage dann nach seinem Namen.«
    Ich machte auf dem Absatz kehrt und stiefelte davon. Hoffentlich würde ich nun in den Ruf eines Flintenweibes geraten, mit dem nicht gut Kirschen essen ist. Es muß sich wirklich herumgesprochen haben, denn drei, vier Jahre lang traute sich kein Jäger mehr in die Nähe der Hütte. Dann, an einem windigen Spätnachmittag, als ich mit einer Freundin von einem langen Ausflug nach Hause kam, fanden wir ein Stück bachaufwärts ein Motorboot versteckt. Spuren führten über mein Land, genau an den Grenzschildern vorbei. Patsy und ich überlegten, was zu tun sei.
    »Die müssen wir uns schnappen«, sagte ich. »Genau unter einem BETRETEN-VERBOTEN-Schild das Boot festzumachen, ist zuviel.«
    Wir ruderten das Boot zu meiner Lände, vertäuten es und trugen den Benzintank zu meiner Veranda. So konnten sich die Jäger nicht ungesehen davonmachen. Drinnen tranken wir erst einmal Tee und aßen Plätzchen. Patsy war es etwas mulmig zumute. Es war ihr erster Besuch in den Adirondacks, und die Horden von Jägern mit ihren Feuerwaffen und Autos machten sie nervös. Einem Fremdling aus der Stadt mußte es wie eine bewaffnete Invasion Vorkommen.
    In der Abenddämmerung traten zwei große, muskulöse Männer aus den Tannen und riefen: »Jemand zu Hause?«
    Wir sprangen von den Stühlen hoch. Ich machte die Tür auf, während Patsy dicht hinter mir blieb, die blauen Augen bang aufgerissen.
    »Suchen Sie vielleicht Ihr Boot?« fragte ich.
    »Ja«, antwortete der Jüngere höflich. Dann sah er den Benzintank. »Haben Sie den ausgebaut?«
    »Richtig. Können Sie denn nicht lesen? Da war ein Grenzschild keine sechs Meter von dem Platz, wo Sie festgemacht haben. Ich sehe keine Entschuldigung für Ihr Eindringen.«
    »Wir sind in den Bach gefahren, weil der See so stürmisch war«, erklärte er ruhig. »Wir haben auf Ihrem Grund und Boden nicht gejagt, Miss, sondern sind nur quer darübergegangen, bis auf unbeschildertes Land.«
    Etwas in seiner Art entwaffnete mich. Ich hörte Patsy erleichtert aufatmen.
    »Schauen Sie«, sagte er, »wir sind Staatspolizisten und würden doch das Gesetz nicht brechen. Es ist unsere erste Jagdzeit hier oben, und wir wollten auf Nummer Sicher gehen.«
    Es endete damit, daß Patsy und ich sie zum Kaffee einluden und eine fröhliche Stunde damit verbrachten, Jägerlatein anzuhören. Als sie gingen, fragte der Ältere: »Braucht Ihr Mädchen Hilfe bei irgend etwas?«
    Am nächsten Tag brachten mir unsere beiden neuen Freunde und ihre beiden Kumpel, vier Polizisten insgesamt, meinen Wintervorrat an Propangas (acht Flaschen, die jeweils fast zwei Zentner wogen) zum See und stellten sie mir in die Hütte. Nicht alle Eindringlinge sind schlechte Kerle, sagte ich mir.
    Gegen gute Jäger habe ich gar nichts (vorausgesetzt, sie halten sich von Privatland fern). Gelegentlich gehe ich selber auf Hirschjagd und weiß Wildbret ebenso zu schätzen wie jeder Waidmann und jede Waidfrau. Als ausgebildete Tierökologin weiß ich, daß Jäger eine biologisch bedeutsame Rolle dabei spielen, die Wildpopulationen ins richtige Verhältnis zum vorhandenen Nahrungsangebot und zu den Umweltbedingungen ihres Lebensraums zu bringen.
    Allerdings ist das Thema Hirschjagd in den Adirondacks ein sehr heißes Eisen. Viele Einheimische glauben, daß die Umweltschutzbehörde des Staates New York das Hirschwild dadurch dezimiere, daß sie zuviele Jagdscheine ausgebe und sich allzu selbstsicher auf Statistiken und Populationsbewegungen verlasse. Umgekehrt machen die staatlichen Tierbiologen für die zurückgegangenen Hirschzahlen hauptsächlich den Mangel an natürlicher Äsung, den tiefen Schnee, die starke Kälte und die eingeschränkte

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