Allein in der Wildnis
schloß ich mich einmal einem Bibertrapper auf seiner Runde an, um diesen althergebrachten Beruf kennenzulernen, dem in den Adirondacks noch mehrere hundert Menschen nachgehen. Kurz nach Tagesanbruch trafen wir uns an einem milden Märzmorgen und fuhren mit Schneemobilen in die Wildnis südlich des Tupper Lake.
»Ich stelle gern dort Fallen, wo ich keine anderen Menschen sehe«, sagte Ernie, nachdem wir gut dreißig Kilometer durch den Wald gefahren waren.
Ernie ist das, was man winterhart nennt. Er ist gesetzlich verpflichtet, seine Fallen alle achtundvierzig Stunden nachzusehen, egal welches Wetter herrscht und welche Probleme sich ihm in den Weg stellen.
»Ja, ich hab schon so ziemlich alles mitgemacht«, erzählte er. »Tiefe Minusgrade, bockige Schneemobile, saumäßige Stürme. Ich bin schon durchs Eis gebrochen und auch mal mit der Hand in eine Falle geraten.«
Ich überredete Ernie, mich eine »Conabear«-Falle fangbereit machen zu lassen. Mit der ganzen Kraft meiner kalten Hände drückte ich gegen den eisigen Stahl, um die strammen Federn zu spannen. In dieser Falle spürte der Biber bestimmt keinen Schmerz, wenn er starb. Mit Recht gilt sie als die humanste auf dem Markt. Schließlich hatte ich es geschafft und gewann Ernies Anerkennung. Bei der nächsten Falle spannte er die Schlageisen selbst, scheinbar spielend leicht, als wolle er eine Maus und nicht einen vierzigpfündigen Biber fangen. Ich sah zu, wie er mit einer Brille mit gelben Gläsern — gelb wegen der besseren Unterwassersicht — in das Eisloch spähte und dann mit gummibehandschuhtem Arm die Falle durch das Loch ins Wasser auf den Seeboden setzte. Ein starker Draht, an einem Pflock befestigt, sicherte sie, damit sie nicht weggeschleppt werden konnte. Immer noch bis zur Achsel im Wasser, legte Ernie vorsichtig ein teilweise entrindetes Stückchen von einem Pappelzweig als Köder auf den Auslöser der Falle. Dann zog er den Arm heraus, streifte den Handschuh ab, nahm die Brille von der Nase und zündete sich eine Zigarette an.
Gegen sein Schneemobil gelehnt, sagte Ernie aufgeräumt: »Ich mach’ das, um mein Einkommen aufzubessern. Die meisten von uns haben hier oben keine ganzjährigen Jobs, und die Fallenstellerei hilft uns überleben. Außerdem müssen wir die Biber ein bißchen ausdünnen, sonst wachsen sie uns über den Kopf.«
»Waren sie nicht mal selten geworden?« fragte ich.
»Ja, sehr!« antwortete Ernie und zog tief an seiner Zigarette. »1904 und 1905 mußte der Staat sieben aus Kanada und vierzehn aus Wyoming importieren, um den Bestand in den Adirondacks neu zu beleben. Pelzjäger hatten sie im letzten Jahrhundert ausgerottet, als Bibermützen und — feile große Mode waren. 1890 waren in den ganzen Adirondacks nur noch ein Dutzend Tiere übrig. Als dann die Mode wechselte, hatten die Biber wieder eine Chance. 1940 hatten sie sich so vermehrt, daß das Fallenstellen wieder erlaubt wurde. Jetzt gibt es sie überall in den Bergen. Stellenweise ein richtiges Bevölkerungsproblem . «
Ich nickte und dachte an den Bibersumpf, den Betsy und ich am Jagged Mountain gefunden hatten und der uns am Fortkommen hinderte.
Erstaunt erfuhr ich von Ernie, daß dem Trapperverband der Adirondacks 610 Männer und 1 Frau angehören und fast 4000 Fallenstellerlizenzen jährlich in den Adirondacks verkauft werden. Und Jahr für Jahr werden Pelze im Wert von einer halben bis einer ganzen Million Dollar erbeutet, namentlich solche von Biber, Otter, Zobel, Wiesel, Waschbär, Nerz, Bisamratte, Kojote und Luchs. Dies ist eines der wenigen Gebiete in unserem volkreichen Osten, wo der Pelztierfang noch in derartigem Umfang möglich ist und wo er noch immer zum Lebensunterhalt vieler Menschen beiträgt.
Später in jenem Frühjahr schenkte mir Ernie ein paar herrlich gegerbte Felle für meine Hütte. Mit einigem Widerstreben nahm ich die glänzenden glatten Pelze an, und ich betrachte sie immer noch mit gemischten Gefühlen. Und dies, weil nur gut fünfzehn Meter vor meinem Fenster bei Sonnenuntergang lebendige Artverwandte vorbeischwimmen und ihr V-förmiges Kielwasser stolz und frei über den Black Bear Lake ziehen. Ich sehe meine Biber viel lieber lebendig als tot.
Ein Schneemobil bei der Hütte zu haben, machte es möglich, Besucher einzuladen, die sonst nicht im Traum an einen solchen Wintertrip gedacht hätten. Ungefähr die einzigen Menschen meiner Bekanntschaft, die zu Fuß, nur mit Schneeschuhen, den Treck zu meiner Hütte gewagt
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