Allein mit dem Teufel: Roman (German Edition)
Alex.«
»Danke, das fand ich auch.«
Er schlug die Taxitür hinter mir zu und drehte sich um, um Richtung Uptown zu gehen.
5
Bonuszeit
Ist mir egal, was alle sagen: Für mich gibt es keinen besseren Ort auf der Welt als New York City zu Weihnachten. Als wir klein waren, sind meine Eltern mit Cat und mir in die City gefahren, um die Rockettes in der Radio City Musik Hall zu sehen, den Weihnachtsbaum im Rockefeller Center zu bewundern und die fantastischen Schaufenster auf der Fifth Avenue zu bestaunen. Eingemummelt in unsere Dufflecoats gingen wir vom Baum in der 49th Street bis zu FAO Schwarz in der 58th Street. Straßenverkäufer boten geröstete Kastanien und warme Brezeln an, und abends war das Empire State Building rot und grün beleuchtet. Es wird immer behauptet, dass Weihnachten hauptsächlich etwas für Kinder ist, aber als Erwachsene liebe ich es immer noch genauso. Ich liebe die Gerüche, die Farben, sogar die Menschenmengen in den Kaufhäusern. Ich liebe die Girlanden und Kränze und glitzernden Lichter in den Bäumen, die den Mittelstreifen der Park Avenue säumen. Dezember ist ein Monat der Reizüberflutung in New York, und es gibt nichts Vergleichbares auf der Welt.
In meinem ersten Jahr bei Cromwell fand ich es seltsam, den ganzen Dezember ohne Urlaub durchzuarbeiten. Ich sehnte mich nach den Wundern dieser speziellen Jahreszeit, aber ich war gefangen auf meinem Girlie-Stuhl. Die Firma versuchte, ein bisschen Weihnachtsstimmung hereinzuholen und sparte keine Kosten, um das Gebäude zu schmücken. Es gab einen riesigen Weihnachtsbaum in der Lobby, und dicke glitzernde Schneeflocken baumelten von der Decke. Cromwell bekam eine Eins für den guten Willen, aber es war dem tatsächlichen Geschehen draußen nicht annähernd vergleichbar.
Die Stimmung an der Börse unterschied sich im Dezember drastisch von der, die ich bisher kannte. Der 31. Dezember markierte nicht nur das Ende des kalendarischen Jahres, sondern auch das Ende des Arbeitsjahres, was für jeden an der Street eine ganz spezielle Sache bedeutete: Bonuszeit, Wall Streets große Vereinigung. Wer so arbeitete wie wir das ganze Jahr über, tat das in der Annahme, dass er in der ersten Woche im Januar einen sechs- oder siebenstelligen Bonusscheck als Belohnung dafür erhalten würde. Die Abschlüsse waren zu Beginn des Monats fertig, sodass jedes Geschäft nach dem 1. Dezember im Grunde ohne Bedeutung war. Ergo hörten wir quasi auf zu arbeiten. Es wurde jeden Abend gefeiert, und gegen Mitte des Monats war ich erschöpft und sah aus, als wäre ich von Santas Schlitten und seinen acht Rentieren überrannt worden, und ich hatte zehn Pfund zugenommen.
Eines Freitags veranstaltete das Fixed-Income-Team eine Party für die ganze Etage. Um vier Uhr nachmittags wurden Bierfässer angeliefert, und Tische füllten sich mit Käseplatten und Antipasti. Kellner reichten Hors d’Oeuvres herum, die die Anwesenden wie Pfefferminzbonbons schluckten. An einem anderen Abend mietete Chick ein ganzes Restaurant nur für unser Team, damit wir uns zum Jahresende über teurem Wein und Ossobuco besser kennenlernen konnten. Die Sales-Teams und die Händler mussten ihre wichtigsten Klienten einladen, um sich für ein weiteres Geschäftsjahr zu bedanken, und all diese Abende endeten selten vor Mitternacht. Die Teilnahme an diesen Partys zu verweigern, kam absolut nicht infrage, sondern galt als beruflicher Selbstmord. Ich versuchte einmal, die Einladung zu einer der vielen Feiern abzusagen, die das gehobene Management gab, und zu denen zu erscheinen er selbst natürlich nicht für nötig erachtete. Aber Chick gab mir unmissverständlich zu verstehen, wenn ich nicht hinginge, sollte ich mich nicht wundern, wenn mein Firmenausweis am nächsten Morgen nicht mehr funktionierte. Ich betete, dass möglichst bald Neujahr wäre, damit die Sauferei ein Ende hätte und ich ein paar meiner im Laufe des Monats beschädigten Leberzellen regenerieren könnte. Geschlagene vier Wochen lang hatte ich kein Fitnesscenter mehr von innen gesehen, meine Klamotten waren zu eng, meine Augen verschwollen, und ich war erst zwei undzwanzig. Mir war schleierhaft, wie die Älteren das durchhielten, ohne tot umzufallen.
Handelssäle sind das ganze Jahr über richtige Eiskästen, aber im Winter sind sie nahezu unerträglich. Das ist unabdingbar, weil die Computer so viel Hitze ausstrahlen. Wenn dann noch geheizt würde, wäre es gut möglich, dass die Systeme überhitzen und den Geist aufgeben.
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