Allein mit dem Teufel: Roman (German Edition)
sechs Kinder in Manhattan zur Schule schicken möchte, sollte er sich wirklich über seine Prioritäten klar werden.«
»Also, wenn ich verheiratet wäre und in den Wehen läge, und mein Mann wäre nicht da, weil er sich Sorgen macht, dass die Notenbank möglicherweise den Zinssatz ändert, würde ich mich von ihm scheiden lassen.«
»Dann heirate keinen Typen von der Street! Bist du bereit dafür, mir bei seinen Anrufen zu helfen?«
»Klar«, sagte ich und spähte auf die Knöpfe an Charlies Telefon. Im Moment tat sich da nichts, aber ich wusste, dass sie in einer halben Stunde oder so wie verrückt blinken würden. Ich musste mich der Situation gewachsen zeigen und ruhig bleiben, cool und beherrscht. Ich wusste, dass ich mich am heutigen Tag beweisen könnte. Ich musste diesen Test mit Glanz und Gloria bestehen, sonst war ich im Eimer. Auch wenn ich noch nicht direkt mit Klienten verhandeln durfte, konnte ich die anderen, die nicht handelsbezogenen Telefonanrufe, problemlos abwickeln. Ich war inzwischen praktisch Expertin in dieser Hinsicht.
»Danke.« Drew setzte wieder sein Headset auf und nahm einen Anruf auf seiner Leitung entgegen. Unterhaltung beendet.
Ich tat es ihm nach. Ich durfte immer noch nicht an die Klienten-Direktleitungen gehen. Wenn man ein Gespräch auf einer dieser Leitungen annahm, endete es gewöhnlich damit, dass einem irgendein aufgebrachter Typ einen Kauf- oder Verkaufsauftrag ins Ohr brüllte. Einer Finanzlegende zufolge ging ein Analyst, der früher hier gearbeitet hatte, an eine der Direktleitungen und erhielt von einem Portfoliomanager den Auftrag, einige Future-Anleihen zu kaufen. Da er noch nicht alle Prüfungen abgelegt hatte, hätte die Börsenaufsicht ihn dafür ins Gefängnis werfen lassen können. Als sein Boss herausfand, dass er den Handel abgeschlossen hatte, wurde er gefeuert, und die Börsenaufsicht brummte der Abteilung eine ziemlich hohe Geld strafe auf, weil sie ihre Angestellten nicht ordentlich beaufsichtigte. Dem Hörensagen nach arbeitete der Typ jetzt an einem Hot-Dog-Stand Ecke Seventh Avenue und 38th Street. Wie auch immer, jedenfalls würde er nie wieder im Business arbeiten.
Wenn ich mich nicht auf die Märkte konzentrierte oder über Will nachdachte, machte ich mir Sorgen über Rick und seine ununterbrochenen SMS und Telefonanrufe. In den vergangenen Wochen hatte sich beides stark gehäuft. Manchmal waren es acht oder neun pro Tag. Und das schloss noch nicht einmal die Wochenenden ein, wenn sie manchmal schon um sieben Uhr früh begannen. Da Rick ein Klient war, konnte ich leider nicht zurückschreiben: »Sie sind ordinär, alt und verheiratet, und das sind drei sehr unattraktive Eigenschaften«, oder: »Verpiss dich.« Allerdings hatte ich durchaus mit dem Gedanken gespielt. Die Will-Situation war nicht viel besser; er verwirrte mich weiterhin. Gerade eben war er noch aufmerksam und witzig, und dann tauchte er plötzlich total ab. Ich wusste weder mit dem einen noch mit dem anderen richtig umzugehen. Da ich selbst zu keiner Lösung kam, beschloss ich, Antworten bei einer höheren Macht zu suchen, bei der Astrologie. Im Nachhinein war das ein Fehler. Ein großer.
Wahrscheinlich hätte ich bis nach der Bekanntgabe des F.O.M.C. warten sollen, bevor ich die Astrologie-Website auf meinen Computer öffnete. Aber es würde sicher nur ein, zwei Minuten dauern, sich mit »Widder und ihr Glück in der Liebe« zu beschäftigen. Verdammt, dachte ich und spähte auf das immer noch stille Telefon, es wird vielleicht drei bis fünf Minuten dauern, höchstens.
Ups! Sie wären überrascht, wie viele InformationenAstrologie-Websites über Ihr Liebesleben enthalten.
Fünfzehn Minuten später, als die Notenbank die Märkte mit der Senkung des Leitzinssatzes überraschte, spielten diese verrückt. Sofort fingen die Telefone an zu klingeln. Alle. Gleichzeitig.
Quasi jeder Verkäufer hängte sich ans Telefon und brüllte Aufträge in die Leitung, kritzelte wie verrückt in sein Notebook und wies mich an, die Abschlüsse zu verbuchen. Als eine der externen Leitungen klingelte, gestikulierte Chick mir wie wild, ranzugehen.
»Cromwell«, meldete ich mich fröhlich.
»Ist Charlie da?«, schnauzte irgendein zornig klingender Typ.
»Ähm, nein, Charlies Frau liegt in den Wehen, sodass er nicht …«
»Bieten Sie hundert Millionen fünfjährige US-Staatsanleihen an.«
Oh nein! Das durfte doch nicht wahr sein! Ich war an die normale Leitung gegangen. Auf dieser Leitung riefen
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