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Allein unter 1,3 Milliarden: Eine chinesische Reise von Shanghai bis Kathmandu

Allein unter 1,3 Milliarden: Eine chinesische Reise von Shanghai bis Kathmandu

Titel: Allein unter 1,3 Milliarden: Eine chinesische Reise von Shanghai bis Kathmandu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Y. Schmidt
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etwas Einfacheres gedacht, eine chinesische Wäscherei halt, wie sie in den sechziger Jahren sogar in jedem zweiten amerikanischen Krimi vorkam. Aber jetzt, wo ich den Laden gefunden habe, bleibe ich auch hier. Zwei mittelalte, dauergewellte Damen prüfen gerade höchst penibel die Kleidungsstücke der Kundin vor mir. Dann versehen sie jedes Wäschestück mit einem Barcode und lesen ihn mit einem Scanner ein. Anschließend bin ich dran. «Waschen Sie auch Wäsche, ganz normal?», frage ich schüchtern. Die entsprechenden Vokabeln habe ich extra vorher im Wörterbuch nachgesehen. «Tun wir», sagt eine von den Schachteln schnippisch und sieht mich verwundert an. Kurz entschlossen leere ich meine zwei Plastiktüten auf den Tresen.
    Den angeekelten Blick, der mich im nächsten Moment trifft, werde ich so schnell nicht vergessen. Andererseits war mir auch der Unterhosenzwischenfall von Urumqi entfallen. Doch in dem Moment, als meine Wäsche wie in Zeitlupe auf den Tresen fällt, ist er wieder da. Auf einer früheren Reise hatte ich in jener Stadt im Westen Chinas auch Unterwäsche mit abgegeben. Als ich sie am nächsten Tag abholen wollte, händigte man mir zur gewaschenen Wäsche eine kleine, separate Tüte aus, die meine ungewaschenen Unterhosen enthielt. Der Blick, der diese Übergabe begleitete, war dem, der gerade auf mich fällt, sehr ähnlich. Ich weiß also, was gleich kommen wird.
    »Das hier», sagt die Schachtel mit empörtem Unterton und zeigt auf die Slips, «waschen wir nicht.» Ich würde mich am liebsten sofort in Luft auflösen und stopfe hastig meine ganze Wäsche wieder in die Plastiktüten. Dabei fällt eine durchgeschwitzte Socke hinter den Tresen. Die Schachtel hebt sie mit spitzen Fingern auf und lässt sie in meine Tüte fallen. Mir schießt das Blut in den Kopf, und ich mache, dass ich rauskomme. Ich schwöre mir, von nun an selbst zu waschen, noch so eine Blamage, und ich falle tot um.
    Den Nachmittag verbringe ich waschend im Badezimmer meines Hotels. Erst am Abend traue ich mich wieder auf die Straße. Der Wirt des kleinen Fischrestaurants, in dem ich zu Abend esse, weiß nichts von irgendwelchen Relikten der Taiping-Rebellion. Dafür erzählt er mir, dass Ausländer, die kein Wort Chinesisch können, bei ihm mehr bezahlen müssen. «Kommen viele her?», will ich wissen. «Ja, sehr viele. Vor drei Monaten hat eine Französin bei mir gegessen.» – «Und danach …?» – «Wie? Du natürlich.»
    Weil in Anqing keiner etwas über die Rebellen weiß, suche ich am nächsten Tag in Anqings nicht wirklich alter Altstadt nach einem Internetcafé. Ich vermeide zwar auf Reisen, dauernd online zu sein, denn so ist man niemals wirklich weg, aber eventuell finde ich ja im Netz Hinweise auf die Residenz des Vizekönigs. Aber auch ein Internetcafé muss erst mal gefunden werden. Ich frage auf der Straße nach einer Wang Ba und versuche mein Bestes, die richtige Tonhöhe der zwei Silben zu treffen. Liege ich ein bisschen höher oder tiefer, könnte es mir passieren, dass ich mein Gegenüber eine Wang Ba nenne. Das heißt dann Schildkröte und wird von einem Chinesen schnell zu Wang Ba Dan ergänzt. Das heißt so viel wie Bastard.

    Am Ende finde ich die Wang Ba durch Zufall bzw. durch ein Fantasygemälde, auf dem «World of Warcraft» steht. Sie liegt im dritten Stock, und ich muss durch ein dunkles Treppenhaus ohne Fenster, in dem es nach Urin stinkt und Wasser von der Decke tropft. An die Wände sind Hunderte von Handynummern gesprüht, daneben meistens auch ein paar Schriftzeichen. Aus Peking weiß ich, dass es sich dabei um eine Art Guerillamarketing für halblegale oder ganz verbotene Produkte handelt. Wer bei den Nummern anruft, kann angeblich vom gefälschten Zeugnis über Drogen bis zum Medikament alles haben. Ich öffne eine Tür und stehe in einer riesigen Halle mit mindestens hundert Rechnern. Die Hälfte davon ist schon jetzt besetzt, um elf Uhr morgens. Ich hole mir bei dem Mädchen an der Rezeption ein Kennwort, setze mich in einen abgewetzten Kunstledersessel und logge mich ein. Dabei zünde ich mir eine Roter-Fluss-Zigarette an. Ein Schild verbietet zwar das Rauchen, aber alle hier qualmen. Hinterher werden die Kippen auf den Boden geschmissen, weil es wegen des Rauchverbots keine Aschenbecher gibt, und auch das stört keinen.
    Ich finde nicht mehr über Anqing und die Taipings heraus, als ich sowieso schon wusste. Also checke ich meine E-Mails. Da stellt jemand etwas neben meinen Rechner.

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