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Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition)

Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition)

Titel: Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tuvia Tenenbom
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Ostberlin. Während ich die Bürgersteige entlangflaniere und über Fragen von äußerster Wichtigkeit für die Zukunft Deutschlands und meiner Wenigkeit grübele, fällt mein Blick auf zwei 14- oder 15jährige Mädchen, die Fotos von einem der Bürgersteige machen.
    Ihr habt ein Faible für Bürgersteige?
    Sie deuten auf zwei kleine Messingquadrate.
    Was ist das? frage ich sie. Sie deuten auf die Inschrift auf den Quadraten und sagen:
    »Das sind die Namen der Juden, die hier vor dem Krieg lebten.«
    Weshalb stehen ihre Namen hier?
    »Sie leben hier nicht mehr.«
    Warum nicht?
    »Weil wir sie getötet haben.«
    Mich überwältigt diese Antwort in ihrer Schlichtheit.
    Haben die beiden jemals persönlich einen Juden kennengelernt?
    »Ich kenne einen Juden«, sagt das Mädchen zu meiner Rechten. »Eine Freundin meiner Mutter ist Freimaurerin, und ihr Freund ist Jude.«
    Bist du dir sicher?
    »Ja. Er geht in die Kirche der Juden.«
    All das ist für mich nur schwer zu verdauen, so daß ich in das Deutsche Currywurst Museum eile, um in etwas Deutsches zu beißen.
    Also, das ist ein Museum. Echte Kultur. Nein, was für ein Museum! Man kann sich hier seine eigene virtuelle Currywurst zubereiten. Und man kann hier etwas lernen, ohne Witz: Kardamom, erfahre ich, steigert die männliche Potenz. Im Eintrittspreis inbegriffen: eine halbe Portion echte Currywurst.
    Am nahe gelegenen Checkpoint Charlie stellt einem ein falscher Soldat ein falsches Visum auf einem Stück Papier aus und stempelt es für ein paar echte Euro sogar ab.
    Ich springe in einen Zug. Nichts wie raus aus Berlin.
    Zeit, mal wieder zu schauen, was außerhalb Deutschlands so los ist.
    Hier sind die »Top News, brought to you by the BBC«:
    »Die Türkei hat einer israelischen Militärmaschine die Genehmigung zum Flug durch den türkischen Luftraum verweigert, offensichtlich in Vergeltung für den israelischen Angriff auf einen für Gaza bestimmten Hilfskonvoi. An Bord der abgewiesenen Maschine befanden sich israelische Offiziere auf dem Weg nach Polen, wo sie an einer Auschwitz-Besichtigung teilnehmen wollten.«
    Hat irgend etwas davon irgend etwas mit Deutschland zu tun? Nicht wirklich. Oder doch?
    Auf nach Dortmund. In einer Zeit, in der sich halb Deutschland dem Public Viewing hingibt, beschäftigt sich in Dortmund ein interessanter Künstler mit Public Thinking.
    Ja, richtig. Public Thinking. Brought to you by Rolf Dennemann, Künstler. Daneben ist Rolf auch noch Regisseur, Produzent und alles mögliche dazwischen. Ich kenne ihn seit ein paar Jahren und habe schon mit ihm zusammengearbeitet. Gelegentlich ruft er mich in New York an und erzählt mir von einer seiner sonderbaren, aber stets erfrischend originellen Ideen. In diesem Jahr war es sein »öffentliches Denken«. Und er hat sogar eine Übernachtungsmöglichkeit für mich in Dortmund organisiert, im Jugendgästehaus Adolph Kolping. Soll ich sein Angebot annehmen? Ich denke schon. Nachdem ich zuletzt in Vier- und Fünf-Sterne-Hotels verwöhnt wurde, könnte eine Jugendherberge ja eine interessante Abwechslung darstellen.
    Das erste, was ich sehe, als ich auf Adolphs Domizil zusteuere, ist eine Gruppe deutscher Jugendlicher, die mit vielleicht 40 Flaschen Bier bewaffnet sind. Beim Anblick der Flaschen befällt mich ein leiser Zweifel, ob ich mich richtig entschieden habe. Tja, zu spät. Willkommen in unserer Welt , sagt das Schild in Adolphs Lobby. Meine neue Welt, nur damit Sie’s wissen, besteht aus einem Zimmer ohne Klimaanlage, dafür mit Fenstern, die sich nicht öffnen lassen. Es ist heiß und stickig heute, an einem der heißesten Tage des Jahres, aber Adolph ist nirgends zu sehen, und der Mitarbeiter, der hier die Stellung hält, hat von Ritz-Carltons Zwölf Geboten noch nie etwas gehört.
    Die Autostadt ist das hier nicht.
    Nun tritt eine Band auf, die sich vor allem aus verschwitzten Männern zusammensetzt. Eine Band aus Berlin, die Teil von Rolfs Programm ist. Sie spielt eines von seinen Liedern. Wie sich herausstellt, beschloß Rolf eines schönen Morgens, auch noch Songwriter zu werden. Und das auf englisch. Ich bitte die Band, mir seinen Songtext zu rezitieren. Hier ist er:
    Time is not money, time is life.
    It’s not very funny,
    In my hat there’s a knife.
    I once sat in a café,
    It was a hot one by the way,
    I was burning out my brain,
    Thinking about my little games.
    I once sat on a sandy shore,
    Watched the seagulls in the sky,
    Kissed a girl called Elinore,
    I was hot and she

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