Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition)
Restaurants, Kneipen und auf Veranstaltungen auf.
Also, was geht heute in Duisburg ab?
Im Norden der Stadt findet in einem Park mit allerlei Reliquien aus dem Industriezeitalter ein Festival namens Traumzeit statt. Gesponsert wird es unter anderem von der Sparkasse Duisburg. Ich mag das Wort Sparkasse , es klingt besser als Bank . Bank ist so, so, so kapitalistisch.
Auf zur Traumzeit.
Schön ist es hier! Jede Menge Menschen, die meisten jung.
Irgendein hohes Tier zu sehen?
Ja. Adolf Sauerland, der Oberbürgermeister von Duisburg, ein CDU-Mann. Adolf und ich, wir sind beide sehr kulturinteressiert und besuchen beide gerne Kulturveranstaltungen, vor allem die Privatpartys im kleinen Kreis, die im Anschluß an solche Veranstaltungen stattfinden. Hier treffen wir uns und interviewe ich Seine Exzellenz.
Sie sind von der CDU. Wie haben Sie es geschafft, Bürgermeister einer Stadt zu werden, die, vornehm gesagt, nicht gerade für ihre konservative Politik bekannt ist?
»Gewählt zu werden«, sagt er, »ist nicht nur eine Frage der Politik. Es ist auch eine Frage des Ansehens.«
Stolz erläutert er mir, daß er direkt gewählt wurde.
Was ist Ihr Traum?
»Die Strukturen dieser Industriestadt zu verändern. Wir nehmen die alten Industrieansiedlungen und verwandeln sie in Kulturinstitutionen. Das bringt eine andere Art von Arbeit, eine andere Art von Arbeitsplätzen mit sich.«
Ist es also Ihr Traum, Duisburg in eine Kulturstadt zu verwandeln?
»Ja.«
Ich schaue mich in diesem Teil der zukünftigen Kulturhauptstadt um und blicke ausschließlich in weiße deutsche Gesichter. Damit drängt sich eine Frage auf:
Alle Menschen, die ich hier sehe, sind Weiße. Wo sind die Türken?
»Vergangene Woche hatten wir eine Veranstaltung, Ruhrgebiet trifft Istanbul , zu der viele Türken kamen.«
Schön. Das war letzte Woche. Warum sehe ich sie diese Woche nicht, jetzt zum Beispiel?
»Sie sind hier, überall.«
Überall Türken? Wo?
»Man kann sie nicht erkennen, weil sie sich äußerlich nicht unterscheiden. Wenn Sie lange genug in einem Land leben, dann verändert sich Ihr Aussehen. Ich habe Verwandte in Amerika, in New Jersey, die in Deutschland geboren wurden, aber mittlerweile anders aussehen.«
Eine Frage: Gibt es heute mehr Frauen, die einen Hijab tragen, als früher?
»Der Prozentsatz von Frauen, die einen Hijab tragen, sinkt, nur sinkt die Bevölkerungszahl in Deutschland noch schneller, weshalb Sie mehr Hijabs sehen. Es wirkt so, als gäbe es heute mehr Frauen mit Hijab, aber das liegt daran, daß es weniger Deutsche gibt.«
Seine Exzellenz, der Oberbürgermeister, hat seinen Beruf verfehlt. Er hätte der Theologe sein sollen.
Adolf erzählt mir, daß er »zwei- oder dreimal die Woche« in die Moschee geht.
Fasten Sie auch am Ramadan?
»Ich bin katholisch.« Er geht nicht zum Beten dorthin, erklärt er mir, sondern um in Kontakt zu bleiben. Gut. Es ist Zeit, diesem Herrn etwas auf den Zahn zu fühlen.
Ich zitiere einen Satz, Sie sagen mir, wer ihn mir gesagt hat. Einverstanden?
Er nickt, wobei er mir zuzwinkert und lächelt.
»Die meisten Türken in Duisburg mögen die Deutschen, mögen die Juden, mögen die Israelis und schätzen sich glücklich, in Deutschland zu leben.« Zunächst: Einverstanden oder nicht?
Die Leute, die neben uns sitzen, lachen.
Adolf sagt: »Nein. Nicht einverstanden.«
Und nun: Wer, glauben Sie, hat mir das gesagt?
»Der Imam.«
Nein. Noch ein Versuch.
»Muhammed Al.«
Woher wissen Sie das?
»Ich kenne ihn.«
Ist er ein Schwätzer?
»In solchen Dingen: Ja.«
Was hätten Sie zu Muhammed gesagt, wenn er versucht hätte, Ihnen dieses Statement zu verkaufen?
»Sie sind ein sprüchemäßiger Bombenleger, das stimmt überhaupt nicht.«
Manche in der Stadt, vor allem aus den Kreisen der freien Künstler, beklagen, daß Adolf ab dem kommenden Jahr ihren Etat reduzieren wird, wodurch sich die Off-Kulturszene in ihrer Existenz bedroht sieht. Adolf verweist auf den Mangel an Mitteln. Er muß die Oper bezahlen, das Theater Duisburg, die Philharmonie, viel bleibe da nicht übrig.
Zu spüren ist diese Auseinandersetzung mit der freien Kulturszene, als ein Pärchen an uns vorbeigeht: er mit fast hüftlangem Haar und sie mit einer Haartracht, die sich wie ein kahler Baumstamm in die Höhe windet. »Sehen Sie«, sagt Adolf, »so sieht hier die Kultur aus …«
Aber ich bin immer noch bei meinen Türken.
Verändert die Anwesenheit von Türken die Kultur in diesem Land? Und wenn
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