Allein unter Muettern - Erfahrungen eines furchtlosen Vaters
Gelegenheit: Ich saß mit unseren gut eineinhalbjährigen Söhnen vor der Haustür, wo wir (weitgehend schweigend) gemütlich dem Treiben der Welt zuschauten. Rasch war dieser schwarze Setter da und machte Anstalten, mit seiner belegten langen Zunge einem der beiden Jungs genüsslich durchs Gesicht zu schlecken. Selbstredend war der Hund nicht an der Leine (die hatte sich Frauchen kunstvoll um den eigenen Hals geschlungen – wahrscheinlich trägt man das in Paris oder Itzehoe gerade so), und ein Halsband hatte er auch nicht um (manche besonders modisch bewussten Tierchen tragen ja immerhin ein buntes Halstuch, was bei großen Exemplaren stets ein bisschen danach aussieht, als hätten sie gerade Frau Antje aus Holland verspeist und trügen nun ihr Kopftuch als Trophäe um den Hals).
Mit den mir eigenen differenzierten kommunikativen Möglichkeiten stellte ich mich dem Hund entgegen – »hau ab!«. Das Tier war erschrocken und schaute mich irritiert an, vermutlich war der potenzielle Gesichtsschlecker von daheim einen niveauvolleren Umgangston gewohnt. Jedenfalls eilte Frauchen dem leine- wie orientierungslosen Zottel zu Hilfe: »Das Problem ist, sie mag Kinder so gerne.« Aber bitte nicht meine, dachte ich noch und wollte erbost fragen, ob das Tier für seine Vorliebe Messer und Gabel benötige oder ob es mit den Werkzeugen der Natur alleine mit den Kleinkindern zurecht komme. Aber da wurde ich gewahr, in welchen Abgrund von Schlichtheit ich schaute. Sie – sie! – mag halt Kinder, das ist ihr Problem. (Problem!) Klang da nicht der stille Vorwurf heraus, dass gerade ich als Vater dieses Gefühl der Zuneigung zu den kleinen Wesen doch eigentlich nachvollziehen können müsste? Ob ich gar herzlos sei? Hatte ich vielleicht eine ungewollt welpenlose Hündin vor mir, die doch an ihrem Schicksal schon schwer genug zu tragen hatte? Oder vielleicht eine ungewollt kinderlose Hundehalterin? Oder beides?
Ich musste mich kurz schütteln, um wieder in der anspruchsvolleren Realität anzukommen. »Ihr Köter gehört an die Leine, damit er mit seiner Schnauze nicht an Kindergesichter geht.« Das war weder ein Zeugnis gekonnter Formulierungskunst (und das auch noch vor den Kindern!) noch ein vorbildliches Dokument zwischenmenschlichen Verständnisses. Aber Frau und Hündin hatten immerhin mit einem »Ja, ja, ich weiß schon« abgedreht und gingen ihrer Wege. Zuvor hatte die Dame noch kleinlaut die Königin unter den Floskeln aus der Kategorie »Hund beißt Kind« zum Besten gegeben: »Die tut wirklich nichts«. (Das hat man früher wahrscheinlich auch über Magda Goebbels gesagt, was aber weder Frau Goebbels noch Kindern durchs Gesicht schlabbernde Hunde in meinen Augen wirklich attraktiver macht.)
Mein Triumphgefühl des ersten Moments machte mich allerdings nicht satt. Gut – diesmal hatte ich nicht wie beim Blindenhund an der Ostsee einfach die Segel gestrichen, aber ich hatte lediglich eine Hundebesitzerin angeraunzt. Wie mutig war das denn schon? Hätte ich nicht verständnisvoller sein müssen? Sie sprach ja offen von einem »Problem«, das die Hündin hat. Wäre nicht vielleicht der verständnisvolle Hinweis auf einen Hundetrainer hilfreicher gewesen? Womöglich wäre der Hündin schon mit einem guten Gespräch geholfen. In unserer Stadtteil-Zeitung hatte ich einige Zeit zuvor die große Anzeige einer Praxis für Tierkommunikation entdeckt. Darin erläuterte die Inhaberin, wie sie Menschen und Tieren dazu verhelfe, auf telepathischem Wege miteinander in Kontakt zu treten. »Wir können Gefühle, Gedanken und Bilder von dem Tier übermittelt bekommen, aus denen sich dann die Botschaft des Tieres zusammensetzt.« Na also, Bello kann doch sprechen! Bello, sag mal: »Rote Rosen.«
Womit wir beim eigentlichen Thema sind – beim Sprechen. In diesem Falle beim Sprechen der Hundebesitzer mit ihren Tieren. Dieses Sprechen ließe sich mit ein wenig gedanklicher Flexibilität in drei Kategorien ordnen: das einfache Sprechen, das komplexe Sprechen sowie das erwartungsvolle Sprechen. Das einfache Sprechen lässt sich, wen wundert’s, am häufigsten beobachten (was übrigens auch auf die Mensch-Mensch-Kommunikation zutrifft); diese beginnt bei einfachen Befehlen wie »Komm!«, »Jetzt lauf!« oder »Hiiiiiierher!«. Ein solches Verhalten möchte ich noch nicht als sozial auffällig bezeichnen, wenngleich mir auf den Straßen in akustischer Hinsicht nichts fehlen würde, wären solche Rufe eines Tages verschwunden.
Irritierender
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