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Alleingang: Kriminalroman (German Edition)

Alleingang: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Alleingang: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Brenner
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sie ihr nicht glaubte.
    »Sie können den Jungen ruhig noch ein Stündchen hier lassen. Legen Sie sich etwas hin! Wenn’s besser geht, holen Sie ihn.«
    Felix stand da und starrte sie an. Der Junge war unsicher. Er hatte sie bisher selten weinen sehen. Vielleicht war es sogar das erste Mal. Sie drückte ihn an sich. Er wollte sich losmachen. Doch Marie ließ es nicht zu.
    »Es ist alles in Ordnung«, sagte sie und bemühte sich zu lächeln. Dann bückte sie sich zu Felix hinab. »Und wir gehen jetzt brav nach Hause. Das Essen steht schon auf dem Tisch.«
     
    Die beiden Offiziere hatten sie und den Jungen mit nach Berlin nehmen wollen. Angeblich konnte man sich dort besser um die Angehörigen kümmern. Das bezweifelte Marie. In einem solchen Fall war man in seiner gewohnten Umgebung am besten aufgehoben.
    Das hatte sie den Besuchern auch erklärt. Sie hatte sie gedrängt, sie allein zu lassen. Doch die beiden hatten noch eine ganze Weile versucht, sie umzustimmen.
    »Sie müssen sich auf einiges gefasst machen. Wir versuchen natürlich, die Identität unserer Leute geheim zu halten. Aber das klappt nicht immer. Die Medien sind auch in Kundus nah dran. Sie werden herausfinden, dass Ihr Mann zu den Toten gehört. Die lassen so leicht nicht locker. Das ist unangenehm. Vor allem in der ersten Zeit. In Berlin können wir Sie besser davor schützen.«
    Dann hatten sie Marie noch mitgeteilt, dass das Ministerium am Nachmittag die Meldung von dem Anschlag der Taliban offiziell rausgeben würde. »Sie werden sehen: Wenig später hängt die Meute an Ihnen dran«, hatte der Hauptmann sie gewarnt. »Wir haben da unsere Erfahrungswerte. Aber wir können Sie auch vor denen schützen.«
    Marie war sehr bestimmt geworden und hatte sie gebeten, endlich zu gehen.
    Daraufhin hatten sich die beiden etwas verschnupft verabschiedet – nicht ohne ihr die Karte eines Therapeuten dazulassen, der Erfahrung in solchen Fällen hatte. Marie hatte am Wohnzimmerfenster gestanden und abgewartet, bis sie in die dunkle Limousine mit dem Y-Kennzeichen gestiegen und davongefahren waren.
    Die beiden hatten sie da stehen sehen. Sicher hatten sie sich darüber gewundert, wie gefasst sie die Nachricht vom Tod ihres Gatten aufgenommen hatte. Und dass sie am Fenster gestanden und ihnen wie einem Verwandtenbesuch hinterhergeschaut hatte. Aber das war Marie egal gewesen. Hauptsache, sie waren weg.
    Sie wusste: Die beiden konnten nichts dafür. Aber sie hasste sie trotzdem, weil sie zu ihr gekommen waren, um ihr diese Nachricht zu überbringen.
    Sie war in die Küche gegangen und hatte das warme Wasser im Kessel noch einmal zum Kochen gebracht. Dann hatte sie sich Tee aufgebrüht. Sie hatte sich an den Küchentisch gesetzt und eine Tasse Tee getrunken. Während sie das getan hatte, hatte sie vergeblich versucht, das, was geschehen war, in ihren Kopf zu bekommen.
    Schließlich war sie aufgestanden, in ihr Schlafzimmer gegangen, hatte sich ausgezogen und aufs Bett gelegt. Dann hatte sie – aus heiterem Himmel, wie bei einem Anfall – zu weinen begonnen.
     
    Karl hatte mit ihr darüber gesprochen.
    Es war kurz nach dem Kaffeeklatsch in Neubrandenburg gewesen.
    Und es war ihm schwergefallen. Nicht weil er Angst hatte, über seinen Tod nachzudenken. Er war Soldat und ein Soldat musste das tun, es gehörte zu seinem Handwerk. Karl hatte deshalb Schwierigkeiten mit dem Thema, weil er fürchtete, er könnte seine Frau damit überfordern.
    Sie hatten ihnen bei der Vorbereitung auf den Einsatz in Kundus immer wieder eingetrichtert, sich selbst und auch die nächsten Angehörigen mit dem Gedanken vertraut zu machen, dass in Afghanistan Anschläge auf Soldaten an der Tagesordnung waren und dass es jeden treffen konnte. So drückten sie das bei der Bundeswehr aus: Dass es jeden treffen könne.
    Dass Karl getan hatte, was man von ihm verlangte, nämlich diesen offiziellen Standpunkt an sie weiterzugeben, hatte Marie störrisch werden lassen. Sie dachte nicht daran, mit ihrem Mann über seinen Tod zu reden, nur weil irgendein Psychologenteam bei der Bundeswehr beschlossen hatte, dass die Afghanistan-Soldaten das mit ihren Frauen zu tun hatten. Marie verweigerte den Gehorsam.
    »Dir wird schon nichts passieren«, hatte sie Karl damals versichert. »Keiner ist so bedächtig und vorsichtig wie du. Warum sollte es also ausgerechnet dich treffen?«
    Marie wusste sehr wohl, dass es jeden treffen konnte. Jeden. Aber sie glaubte nicht, dass es Karl sein würde. Nicht Karl.

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