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Alleingang: Kriminalroman (German Edition)

Alleingang: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Alleingang: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Brenner
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und breit. Wie ein schwarzer Sarg. Das wusste Marie von Karl.
    »Wir befinden uns nun am Flughafen von Kundus. Hier haben die Deutschen das Sagen. Wie Sie sehen, ist nicht viel los. Unser Konvoi ist mittlerweile am Flughafen angekommen. Und nun passen Sie gut auf, meine Damen und Herren!«
    Türen wurden geöffnet, Soldaten in Tarnanzügen sprangen aus den Fahrzeugen. Sie begaben sich zu den Ladeluken der Fahrzeuge. Diese gingen auf. Die Soldaten begannen mit dem Ausladen der kastenartigen Blechsärge.
    »Aus der Entfernung kann man die Särge mit den toten Bundeswehrsoldaten gut zählen: Es sind vier Särge. Ganz deutlich: vier!«
    Die Soldaten trugen die Särge zu der Transall. Sie verschwanden mit ihnen über der ausgeklappten Plattform im Bauch des riesigen grauen Flugzeugs.
    Erst ein Sarg. Dann noch einer. Dann der dritte und der vierte.
    »Es sind genau vier Särge. Es kommt auch kein fünfter.«
    Die Soldaten verließen die Transall und stiegen wieder in ihre Fahrzeuge. Wenig später fuhren sie weg. Ohne einen fünften Sarg ausgeladen zu haben.
    Im Fernsehen zeigten sie nun eine Landkarte. Ein Flugzeugsymbol flog von Kundus im Nordosten Afghanistans in Richtung Nordwesten, überquerte die Grenze zu Usbekistan und beschrieb eine leichte Kurve, um schließlich Termes im Süden des Landes zu erreichen.
    »Nur zwei Tage nach dem Anschlag flog die Transall der Bundeswehr die Särge der Getöteten aus Afghanistan aus. Das Transportflugzeug, das nach unseren Informationen keine andere Ladung hatte als die vier Leichen, landete auf dem Stützpunkt in Termes. Dort wurden die Särge umgeladen. Schon am nächsten Morgen flogen sie weiter in Richtung Westen.«
    Das kleine Flugzeug auf der Landkarte verließ nun Termes und beschrieb einen weiten Bogen über Usbekistan. Es überquerte das Kaspische Meer und die Türkei, flog über das Mittelmeer, änderte seine Richtung, um die Alpen zu überqueren. Dann landete es in Köln.
    Nun waren die ›Tagesschau‹-Bilder zu sehen, die man in Deutschland seit ein paar Tagen kannte. Köln-Wahn. Ein Bataillon der Bundeswehr ist angetreten, um die toten Kameraden in Empfang zu nehmen. Es nieselt. Der Flugplatz ist dunkel und grau. Scheinwerfer beleuchten die Szenerie.
    Die Transall aus Termes steht bereits auf ihrer Position. Die Plattform am Heck öffnet sich langsam. Zwei Lafetten werden herangefahren. Zwölf Soldaten marschieren im Stechschritt zu der Maschine. Über ein Fließband werden die Särge ausgeladen. Es sind die aus Kundus.
    Die Soldaten fassen jeweils zu sechst an. Sie heben die Särge von dem Band und tragen sie die paar Schritte bis zu den Lafetten. Am Rand der Rollbahn stehen aufgereiht ihre Kameraden in grauen Anzügen und mit im Regen blitzenden Stahlhelmen. Es wird ein Zapfenstreich geblasen. Man hört nur die einsame Trompete und das monotone Trommeln.
    Die Soldaten heben nacheinander jeden Sarg auf eine Stafette.
    Dann stehen sie stramm und verabschieden sich mit eisigen Mienen von ihren Kameraden.
    Auf den Lafetten stehen nun fünf Särge. Fünf und nicht vier wie in Kundus.
    »Sicher fragen Sie sich zu Hause jetzt auch: Wo kommt denn der fünfte Sarg plötzlich her? Wir würden es auch gerne wissen, meine Damen und Herren.«
    Marie schaltete ab.
    Im gleichen Augenblick läutete das Telefon.
    Marie stellte erst gar keinen Zusammenhang zwischen dem Läuten und dem Beitrag im Fernsehen her. Vielleicht war es Gunter, der wieder bettelte, sie solle ihn doch aufnehmen, bis seine Schwester aus Schweden eingetroffen war. Oder Karl. Aber der hatte bisher nur nachts angerufen.
    Marie hob ab.
    »Und? Was sagen Sie nun?«
    Diesmal erkannte Marie die Stimme sofort: Es war die Spiegel-Journalistin.
    »Was soll ich dazu sagen?« Marie fühlte sich wie in einer Prüfung. Was hatte sie mit dem Beitrag der Journalistin auf Spiegel-TV zu tun?
    »Dieser fünfte Sarg – das ist doch eigenartig, oder?«
    Das Gespräch war Marie unangenehm. Aber diesmal konnte sie nicht einfach auflegen. Diese Renate Glassmaier – war sie nicht eine Verbündete Maries? Und allzu viele Verbündete hatte sie ja nicht gerade, oder?
    »Ich weiß nicht, woher dieser fünfte Sarg kam«, erklärte Marie leise.
    »Sie wissen es nicht. Aber Sie gehen davon aus, dass Ihr Mann in diesem Sarg liegt, oder?«
    Das war ein Ton wie bei einem Kreuzverhör. Schließlich war sie eine Frau, die ihren Mann verloren hatte. Wie kam diese Frau Glassmaier dazu, mit ihr wie mit jemandem zu reden, der etwas zu verbergen

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