Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alleingang: Kriminalroman (German Edition)

Alleingang: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Alleingang: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Brenner
Vom Netzwerk:
hatte?
    Aber sie hatte ja wirklich etwas zu verbergen. Karl. Sie musste ihren Mann schützen, der allein und verwirrt durch Kundus irrte. Deshalb legte sie nicht auf. Wegen Karl nicht. Sie war der einzige Mensch, der ihm helfen konnte. Sie wusste, dass er am Leben war und dass er in einer großen, für sie kaum greifbaren Gefahr schwebte.
    »Warum soll mein Mann ausgerechnet in diesem Sarg liegen? Er kann auch in einem der vier anderen Särge sein, oder?«
    Marie fragte sich, wie sie in dieser wirren Situation auf diesen doch sehr klaren und naheliegenden Gedanken kommen konnte. Vielleicht gab es ja etwas in ihr, das den Überblick behielt und ihr in schwierigen Momenten wie diesem helfend zur Seite stand.
    »Das kann ich Ihnen versichern«, sagte die Journalistin nach einer kurzen Pause, in der Marie geglaubt hatte, sie unsicher gemacht zu haben. »Ich habe inzwischen herausgefunden, dass die vier Opfer des Anschlages identifiziert worden sind. Die Angehörigen haben hier in Deutschland die Leichen der Soldaten sehen können. Damit ist klar, wer in den vier Särgen liegt, die in Kundus die deutsche Garnison verlassen haben. Wer aber ist in dem fünften Sarg? Wo kommt dieser Sarg her? Aus Kundus nicht. Er ist erst in Usbekistan in die Transall geladen worden. Plötzlich waren es fünf.« Die Frau lachte überdreht. »Ist doch komisch, oder? Haben Sie die Leiche Ihres Mannes gesehen, Frau Blau?«
    »Nein. Die Bundeswehr hat sich geweigert. Angeblich war Karls Leiche entstellt.«
    »Glauben Sie, dass Ihr Mann wirklich tot ist?«
    Marie wartete darauf, dass die Stimme ihr half. Doch diesmal schwieg diese Stimme. Marie war auf sich allein gestellt. »Ja. Ich weiß, dass er tot ist. Er ist bei dem Anschlag ums Leben gekommen.«
    Dann schaffte sie es endlich: Marie legte auf.

15.
     
    Marie stieg die Treppe hoch und horchte an der Tür. Felix schlief immer noch tief. Zum Glück hatte er nichts von dem Anruf mitbekommen.
    Marie aber war aufgewühlt. Was hatte das zu bedeuten? War die Spiegel-Journalistin kurz davor aufzudecken, dass Karl gar nicht bei dem Anschlag ums Leben gekommen war? Was hieß das für Karl? Und für sie und Felix?
    Warum durfte niemand wissen, dass Karl am Leben war? Trachteten ihm nicht nur die Taliban, seine natürlichen Feinde in Kundus, nach dem Leben?
    Es gab nur einen Menschen, der ihr Antworten auf diese Fragen geben konnte. Marie ging zum Telefon und wählte die Handynummer von Gunter.
    Es läutete mehrmals. Nichts. Dann klickte es in der Leitung. Die Mailbox schaltete sich ein.
    »Hallo, Sie können mich leider gerade nicht erreichen.« Gunter räusperte sich umständlich. »Bitte hinterlassen Sie eine Nachricht, ich rufe Sie dann auch zurück. Vergessen Sie Ihre Telefonnummer nicht!«
    Dann piepte es. Maries Herz pochte.
    »Hallo, hier ist Marie. Marie Blau. Es ist schon spät. Ich weiß.« Sie schaute durch die offene Tür auf die Küchenuhr. »Kurz nach elf. Ich dachte, ich erreiche dich jetzt zu Hause. Hast du den Film gesehen über die Särge aus Kundus? Bitte melde dich! Du kannst auch in der Nacht anrufen. Ich muss unbedingt mit dir reden.«
     
    Bevor Marie zu Bett ging, holte sie die Pistole aus der Schublade mit Karls Socken.
    Sie trug die Waffe und das Päckchen mit der Munition in die Küche. Beides legte sie auf den Küchentisch. Dann schloss sie die Tür ab und knipste die Deckenlampe an. Das grelle Neonlicht stach ihr in die Augen, sie musste sich erst daran gewöhnen.
    Es war wie bei der Vorbereitung zu einer Handarbeit.
    Marie faltete eine Ostseezeitung auseinander und legte die Doppelblätter als Unterlage auf den Küchentisch. Dann holte sie den alten Lappen aus der Spüle und ein frisches Geschirrtuch aus dem Einbauschrank. Karl hatte ihr erklärt, dass es wichtig war, die Waffe regelmäßig zu putzen, wenn man sich darauf verlassen können sollte, dass sie einen im Notfall nicht im Stich ließ.
    Marie suchte ihre Lesebrille. Sie fand sie recht schnell – in der Obstschale. Sie setzte sie auf und nahm Platz.
    Sie fasste die Waffe an. Das Metall war nicht kühl, wie man annehmen konnte, sondern angenehm warm. Zimmertemperatur.
    Marie rieb die Waffe sorgfältig mit dem Wischlappen ab. Dann nahm sie das Geschirrtuch und wickelte die Waffe darin ein. Sie rubbelte sie. Feuchtigkeit war sicher schlecht für ihren Mechanismus.
    Als Marie sich sicher war, dass auch die Ritzen trocken waren, klappte sie die Waffe auf. Es war ganz einfach. Dabei entstand ein vertrautes Geräusch.

Weitere Kostenlose Bücher