Alleingang: Kriminalroman (German Edition)
Ebenso wie die, die dem Druck nicht standhielten und durchdrehten. Und das schien bei Karl ja der Fall gewesen zu sein.
16.
Es regnete unaufhörlich. Marie ließ Felix einfach schlafen.
Sie ging leise hinunter in die Küche und kochte Kaffee. Solange Felix noch schlief, wollte sie arbeiten. Die Verlage, von denen sie ihre Aufträge bekam, wussten nichts von dem, was in Kundus mit Karl geschehen war. Sie warteten auf die Gutachten.
Als sie sich mit dem Manuskript und der dampfenden Tasse Kaffee am Küchentisch niederließ, sah sie, dass der schwarze Van des Verteidigungsministeriums vor dem Haus einparkte.
Marie stand auf und ging zur Tür. Sie wollte nicht, dass die Besucher – sicher waren sie wieder zu zweit – läuteten und damit Felix aufweckten. Sie erwartete sie in der offenen Haustür. Wieder einmal im Morgenrock. Aber das war um diese Zeit wirklich egal.
Die gleiche Besetzung. Die Zwillinge. Auf dem Weg vom Wagen zur Haustür waren sie klatschnass geworden.
Sie schauten besorgt aus. »Frau Blau«, begann der erste, noch bevor er sie begrüßte. »Wir hatten Sie doch gebeten, uns über jeden Kontakt mit Herrn Theobald zu informieren.«
Das war dreist. War Marie etwa ihre Untergebene?
»Und?«
»Haben Sie uns etwas zu sagen?«
»Ich wüsste nicht, was.«
Die beiden warfen sich vielsagende Blicke zu. Sicher hatten sie auf der langen Fahrt von Berlin nach Usedom abgesprochen, wie sie Marie mit dieser Masche einschüchtern wollten.
»Hat er Sie angerufen?«
»Nein«, antwortete Marie. Das stimmte ja auch.
»Haben Sie mit ihm gesprochen?«
»Nein. Was soll das?«
Der eine zog sein Handy aus der Tasche und drückte ein paar Tasten. Dann hielt er das Gerät auf Kopfhöhe, als wollte er eine Sprachaufnahme von Marie machen.
Er machte aber keine Sprachaufnahme von Marie. Er spielte eine Sprachaufnahme von Marie ab.
»Hallo, hier ist Marie. Marie Blau. Es ist schon spät. Ich weiß … Kurz nach elf. Ich dachte, ich erreiche dich jetzt zu Hause. Hast du den Film gesehen über die Särge aus Kundus? Bitte melde dich! Du kannst auch in der Nacht anrufen. Ich muss unbedingt mit dir reden.«
»Sie haben uns belogen«, sagte der andere und grinste.
Marie konnte sich gut vorstellen, dass diese beiden es waren, die in ihr Haus eingedrungen waren und die CD mit Karls Videobotschaft aus Kundus gestohlen hatten.
»Sie werden doch nicht einem Mann helfen wollen, der Anschläge auf die Bundeswehr begünstigt hat?«
»Haben Sie Beweise dafür, dass er das getan hat?«
»Wir sind gerade dabei, sie zu suchen.«
Sie waren sich ihrer Sache sicher – das sah man, so wie sie vor Maries Tür standen und grinsten. Doch Marie wollte sich nicht einschüchtern lassen. Nicht durch diese beiden.
»Und Sie haben eine richterliche Erlaubnis, die Mailbox von Herrn Theobald abzuhören?«
Damit hatten sie nicht gerechnet. Jetzt warfen sie sich Blicke zu, die schon gar nicht mehr so souverän wirkten.
»Lassen Sie das ruhig unsere Sorge sein«, sagte einer der beiden und schaute zur Seite – als würde sie ihn mit ihren Bedenken nur von Wichtigerem abhalten.
»Das tue ich nicht. Noch haben wir hier einen Rechtsstaat. Auch wenn wir im Krieg sind. Und das, was Sie machen, ist Rechtsbruch.«
Damit schlug sie ihnen die Tür vor der Nase zu. Sie ließ sie einfach im Regen stehen.
Der Regen hörte auf. Es wurde heller. Die Sonne brach zwischen dunklen Wolkenfetzen durch und legte sich auf die Vorderfront des Hauses. Das Sonnenlicht warf breite Streifen auf den Dielenfußboden.
Um zehn stand Felix plötzlich angezogen und mit dem Ranzen auf dem Rücken in der Küche und erklärte, er wolle zur Schule gehen – zu Hause sei ihm langweilig. Marie kochte Kakao und schmierte ein Brot. Dann war er weg. Vom Besuch der Zwillinge aus Berlin hatte er nichts mitbekommen.
Als Marie am Mittag ihre Lektüre unterbrach und sich eine Tasse Tee aufbrühte, schaltete sie das Radio ein.
Sie brannte darauf zu erfahren, wie man in Berlin auf den Beitrag auf Spiegel-TV reagierte.
Sicher gab es längst eine Verlautbarung von Staatssekretär Seelmann oder sogar vom Minister. Wahrscheinlich redeten sie sich heraus. Dass der fünfte Sarg später als die anderen vier in Termes eingetroffen sei und die Transall so lange gewartet hätte, bis alle Toten gemeinsam nach Köln-Wahn ausgeflogen werden konnten.
In der Küche lief meistens Info-Radio vom RBB. So konnte sie beim Essen, Kochen oder Spülen Nachrichten hören. Wenn sie gerade
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