Allem, was gestorben war
Gleichzeitig intensivierten die Dealer ihre Suche nach neuen Kunden. Wo es sich anfangs um wenige Gramm gehandelt hatte, wurde jetzt gleich hundertgrammweise verkauft.
Aber das Heroin hatte nicht etwa eine andere Droge verdrängt. Der Drogenmissbrauch in Göteborg stieg an allen Fronten und mit allen Präparaten. Es war ein Wachstumsmarkt, eine Situation, in der sich der Starke und Schnelle Marktanteile verschaffen konnte.
In den Büschen neben dem Kulturhaus in Västra Frölun-da gab es zahllose Beispiele für diese Entwicklung. Ein Junge mit Baseballkappe hatte eine Bierdose aufgeschnitten. Sie waren zu dritt, sie waren sechzehn Jahre alt. Das Mädchen in der Gruppe war die Einzige, die normalerweise rauchte, sie hielt die Streichhölzer vorsichtig unter das Heroin. Für sie war es das erste Mal, aber einer der Jungen hatte es schon mal ausprobiert. Es war gut gewesen.
Sie wechselten sich mit den Zügen ab, anfangs fühlten sie nicht viel, aber dann wurde es schön. Jetzt juckte und brannte die Hitze nicht mehr, man wurde gewissermaßen ein Teil der Hitze, es war ein angenehmes Gefühl, sich hinzusetzen und zum Frölunda Torg und den Straßenbahnen der Linie 2 zu schauen. Und es war ein schönes Gefühl, nicht ständig den Wunsch zu verspüren, aufzuspringen und in die Stadt fahren zu wollen.
Es war gut.
11
Sten Ard fuhr mit dem Zeigefinger über die Linoleumtischplatte. Einige Kaffeetropfen bildeten ein dekoratives Muster. Als er mit der Flüssigkeit »Laurelius« zu schreiben versuchte, reichte sie nicht. Er überlegte einen Moment, ob er den Rest in der Tasse auf den Tisch kippen sollte, widerstand aber der Versuchung, als er den Blick hob und die fragenden Gesichter der Kollegen sah. Darf man sich nicht mal in Ruhe mit seinen Notizen beschäftigen?
Oder sollte er die Brühe doch ausgießen?
In der vergangenen Stunde hatte er viel nachgedacht und wieder verworfen. Andere hatten hoffentlich auch nachgedacht, aber der Fall war bereits abgekühlt, genau wie das Getränk, das vor ihm stand.
Sollte er die Frau suchen lassen ... würde er dann einen Schritt vorwärts kommen oder zwei zurückfallen?
Das Gespräch mit Direktor Johlin, Laurelius' Partner, war eine sanfte Quälerei gewesen. Er wusste immer noch nicht, was dabei herausgekommen war, vielleicht nur ein paar weitere Namen, die er von Johlin bekommen hatte.
Er war ein etwas hochnäsiger, neureicher Typ, komplexbeladen und außerdem während des ganzen Gesprächs ganz schön nervös. Jedenfalls konnte er nachweisen, was er getan und gesagt hatte. Nach einer Weile hatte Ard ihm gar nicht mehr zugehört.
Sten Ard war einer von vierunddreißig Kommissaren bei der Polizeibehörde in Göteborg. Die Aufgabe der Kriminalabteilung besteht darin, Verbrechen aufzudecken und zu ermitteln, soweit sie unter öffentliche Anklagen fallen und diese nicht Aufgabe einer anderen Abteilung sind. Die Aufdeckung war abgeschlossen, jetzt mussten sie nur noch mit dem Ermitteln anfangen. Der Fall Laurelius war nicht Sache der Schutzpolizei, auch nicht des Sekretariats des Polizeipräsidenten. Der Fall war sein Baby. Aber er war nicht allein im Haus.
Ard erhob sich, wanderte drei Minuten im Haus herum und klopfte schließlich an eine Tür. Von drinnen hörte er ein Grunzen. Er wurde erwartet.
»Ard! Willkommen! Was verschafft mir die Ehre, ein mastermind kommt mich besuchen.«
Gert Fylke war einer der drei Kommissare des Rauschgiftdezernats. Ard hatte Fylke immer für einen unangenehmen Typ gehalten. Er erzählte mit Vorliebe rassistische Witze, über die niemand lachen konnte, und war in seiner Zeit bei der Schutzpolizei als gewalttätig auffällig geworden. Er war ein Aufschneider, einer, der hart gegen die Harten und hart gegen die Weichen vorging, fünfundfünfzig, eisengrauer Militärschnitt. Sein Gesicht war schmal, fast weich. Ard musste mitunter an einen bestimmten Propagandaminister denken, wenn er ihn sah.
Aber Gert Fylke war ein sehr geschickter Ermittler. »Du wolltest eine Lektion haben.« »Ich brauche Hilfe.«
»Ja, ja, das hast du schon am Telefon gesagt. Aber in diesem Fall wird es auch eine Lektion, selbst für einen, der schon alles kann.«
Ard setzte sich auf den harten Stuhl, hart gegen die Weichen, war er hart oder weich? In Fylkes Gegenwart waren die meisten weich, jedenfalls wurden sie es allmählich.
Der Kollege beugte sich über den Schreibtisch.
»Gestern sind sechs gut gekleidete Geschäftsleute aus der Edelsteinbranche in Landvetter
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