Aller guten Dinge sind vier
Alte.
Ich bot ihm die Hand. »Stephanie Plum.«
»Arnold Kyle. Mir gehört der Laden. Vor einer Stunde ungefähr krieg ich einen Anruf von der Polizei, daß der Laden unbesetzt ist. Ihre Freundin Helen ist einfach rausmarschiert, ohne jemandem Bescheid zu geben. Nicht einmal abgesperrt hat sie. Ein Kunde, der Zigaretten kaufen wollte, hat die Polizei angerufen, als er merkte, daß kein Mensch im Laden war.«
Ich hatte ein ganz übles Gefühl. »War Helen mit ihrer Arbeit nicht zufrieden?«
»Zu mir hat sie nie was gesagt«, antwortete Kyle.
»Vielleicht ist sie plötzlich krank geworden und hatte keine Zeit mehr, Bescheid zu geben.«
»Ich hab bei ihr zu Hause angerufen. Kein Mensch hat sie gesehen. Ich hab im Krankenhaus angerufen. Da ist sie auch nicht.«
»Haben Sie hier im Laden nachgeschaut? Im Lager? Im Keller? In der Toilette?«
»Klar, da war ich überall.«
»Kommt sie mit dem Auto zur Arbeit? Steht ihr Wagen noch hier?«
Kyle sah den jungen Kassierer an.
»Ja, der steht noch draußen«, sagte der. »Ich hab gleich daneben geparkt, als ich kam. Es ist ein blauer Nova.«
»Die ist bestimmt mit irgendwelchen Freunden gefahren«, meinte Kyle. »Heutzutage kann man sich doch auf keinen Menschen mehr verlassen. Von Verantwortungsgefühl keine Spur, diese Leute. Kaum kommt was Besseres daher, lassen sie alles stehen und liegen.«
Ich wandte mich an den Kassierer. »Fehlt Geld?«
Er schüttelte den Kopf.
»Kampfspuren? War irgendwas umgeschmissen?«
»Ich war noch vor ihm da«, sagte Kyle. »Es war alles wie immer. Sie scheint einfach rausspaziert zu sein.«
Ich gab ihm meine Karte und erklärte meine Beziehung zu Helen. Wir suchten hinter der Kassentheke nach einer Nachricht, fanden aber nichts. Ich dankte Kyle und dem Kassierer und bat sie, mich anzurufen, wenn sie von Helen hören sollten. Ich hatte die Hände auf die Theke gestützt und blickte nach unten, und da sah ich es. Ein Streichholzheftchen von der Parrot Bar in Point Pleasant.
»Gehört das Ihnen?« fragte ich den Kassierer.
»Nein«, sagte er. »Ich rauche nicht.«
Ich sah Kyle an. »Mir gehört’s auch nicht«, sagte er.
»Haben Sie was dagegen, wenn ich’s mitnehme?«
»Bedienen Sie sich«, sagte Kyle.
Auf der Heimfahrt schaute ich mindestens sechzigmal in den Rückspiegel. Mein Verfolgungswahn hatte weniger mit Joyce zu tun als mit den Leuten, die möglicherweise Helen Badijian weggezaubert oder entführt hatten. Vor einer Woche noch hätte ich die gleiche Schlußfolgerung gezogen wie Kyle – daß Helen einfach abgehauen war. Jetzt, wo ich von abgehackten Fingern und skalpierten Köpfen wußte, sah ich die Ereignisse in einem trübseligeren Licht.
Ich parkte auf meinem Platz, schaute mich einmal gründlich um, holte tief Luft und sprang aus dem Wagen. Raste über den Parkplatz, durch die Hintertür ins Haus und rauf zu meiner Wohnung. Von der Tür starrte mir immer noch der Haß entgegen. Keuchend und mit zitternder Hand schloß ich auf.
Das ist doch albern, sagte ich mir. Reiß dich gefälligst zusammen. Aber das schaffte ich nicht. Statt dessen sperrte ich mich ein, schaute unters Bett, in sämtliche Schränke und hinter den Duschvorhang. Als ich mich überzeugt hatte, daß ich in Sicherheit war, aß ich den ganzen Biskuitkuchen von Entenmann auf, um meine Nerven zu beruhigen.
Als von dem Kuchen nichts mehr da war, rief ich Morelli an, erzählte ihm von Helen und bat ihn, der Sache nachzugehen.
»Und wie genau hast du dir das vorgestellt?«
»Ich weiß auch nicht. Vielleicht könntest du feststellen, ob sie im Leichenhaus ist. Oder im Krankenhaus, um sich einen abgehackten Körperteil wieder annähen zu lassen. Vielleicht könntest du ein paar von deinen Kollegen bitten, nach ihr Ausschau zu halten.«
»Wahrscheinlich hat Kyle recht«, meinte Morelli. »Wahrscheinlich sitzt sie mit irgendwelchen Freunden in einer Kneipe.«
»Glaubst du das wirklich?«
»Nein«, antwortete Morelli. »Das sag ich nur, damit du endlich auflegst. Ich schau mir nämlich gerade ein Baseballspiel an.«
»Was mich an der Sache wirklich beunruhigt, hab ich dir noch gar nicht gesagt.«
»Und das wäre?«
»Eddie Kuntz ist der einzige, der wußte, daß ich zu Helen Badijian wollte.«
»Und du meinst, er ist dir zuvorgekommen.«
»Ja, der Gedanke ist mir durch den Kopf gegangen.«
»Weißt du, es gab mal eine Zeit, da sagte ich zu mir, wie macht sie das bloß? Wie schafft sie’s, immer an solche Irren zu geraten? Aber jetzt frag ich
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