Aller guten Dinge sind vier
das gar nicht mehr. Jetzt erwarte ich so was von dir.«
»Also, hilfst du mir oder nicht?«
6
Die Vorstellung, daß ich an Helens Verschwinden schuld sein könnte, belastete mich. Morelli hatte sich bereit erklärt, ein paar Anrufe zu machen, aber das genügte mir nicht. Ich zog das Streichholzheftchen von der Parrot Bar aus meiner Tasche und untersuchte es. Keine hastig hingeworfene Nachricht auf der Innenseite der Klappe und im Grunde nichts, was darauf schließen ließ, daß es Maxine gehörte. Trotzdem wollte ich morgen gleich in aller Frühe nach Point Pleasant fahren.
Ich holte mir das Telefonbuch und schaute unter Badijian nach. Es gab drei. Keine Helen. Zwei wohnten im Stadtteil Hamilton. Einer in Trenton. Ich rief die Nummer in Trenton an. Eine Frau meldete sich und sagte, Helen sei noch nicht von der Arbeit nach Hause gekommen. Kinderleicht. Aber leider nicht die richtige Antwort. Ich hätte gern gehört, daß Helen daheim war.
Okay, dachte ich, vielleicht kümmere ich mich am besten selbst mal um die Sache. Schau mal bei Kuntz zum Fenster rein, ob er Helen an einen Küchenstuhl gefesselt hat. Ich legte meinen schwarzen Vielzweckgürtel um. Pfefferspray, Schockpistole, Handschellen, Taschenlampe, .38er Special. Ich dachte daran, die .38er zu laden, entschied mich dann aber dagegen. Schußwaffen waren mir unheimlich.
Ich zog eine dunkelblaue Windjacke über und stopfte mein Haar unter meine Mütze.
Mrs. Zuppa kam gerade vom Bingo nach Hause, als ich wegging. »Aha, Sie gehen wohl zur Arbeit«, sagte sie, schwer auf ihren Stock gestützt. »Was für eine Waffe tragen Sie?«
»Eine Achtunddreißiger.«
»Mir persönlich ist eine Neun-Millimeter lieber.«
»Ja, die ist gut.«
»Wenn man ein künstliches Hüftgelenk hat und am Stock gehen muß, ist so eine Halbautomatik leichter zu handhaben«, erklärte sie.
Eine nützliche Information, die ich fürs erste speichern und vielleicht an meinem dreiundachtzigsten Geburtstag wieder hervorholen würde.
Es war kaum Verkehr um diese nachtschlafende Zeit. Ein paar Autos in der Olden Street. Keine Autos in der Muffet. Ich fuhr um die Ecke in die Cherry Street und parkte an der nächsten Kreuzung. Von dort aus ging ich zu Fuß zu Kuntz’ Haus. In beiden Haushälften brannte Licht. Die Jalousien waren nicht runtergelassen. Ich blieb auf dem Bürgersteig stehen und spitzelte. Leo und Betty saßen Seite an Seite in bequemen Fernsehsesseln vor der Glotze und schauten sich Bruce Willis an.
Nebenan war Eddie am Telefon. Es war ein schnurloses. Ich konnte ihn in seiner Küche hinten im Haus hin und her gehen sehen.
Die Nachbarhäuser waren dunkel. Auf der anderen Straßenseite brannten Lichter, aber es rührte sich nichts. Ich schlich mich zwischen den Häusern hindurch, wobei ich all die Stellen, wo aus unverhüllten Fenstern Licht auf den Rasen fiel, tunlichst mied, und kroch im Schutz der Schatten hinter Kuntz’ Haus. Gesprächsfetzen wehten aus dem offenen Fenster zu mir raus. Ja, er liebe sie, sagte Kuntz. Ja, er finde sie sexy, versicherte er. Ich stand in tiefer Dunkelheit und sah durch das Fenster. Er stand mit dem Rücken zu mir. Er war allein, und auf seinem Küchentisch lagen keine abgehackten Körperteile rum. Keine Helen war an den Herd gefesselt. Keine unheimlichen Schreie tönten aus seinem Keller. Die ganze Sache war verdammt enttäuschend.
Allerdings – Jeffrey Dahmer hatte seine Trophäen in seinem Kühlschrank aufbewahrt. Vielleicht sollte ich nach vorn gehen und klopfen, sagen, ich sei zufällig in der Gegend und hätte mir gedacht, ich würde auf den versprochenen Drink vorbeischauen. Wenn er dann Eis holte, würde ich in seinen Kühlschrank sehen können.
Ich war noch dabei, das Für und Wider dieses Plans zu erwägen, als mir eine Hand auf den Mund gedrückt, ich nach rückwärts gezerrt und an die Hauswand gepreßt wurde. In Todesangst stieß ich mit den Füßen, bekam eine Hand frei und wollte nach dem Pfefferspray greifen, als ich an meinem Ohr eine vertraute Stimme hörte.
»Mit Pfefferspray kommst du mir nicht bei.«
»Morelli!«
»Scht! Was zum Teufel tust du hier?«
»Ich ermittle. Was hast du denn gedacht?«
»Für mich sieht’s eher aus wie unbefugtes Betreten von Eddie Kuntz’ Grundstück.« Er schob meine Windjacke zur Seite und schaute sich meinen Allzweckgürtel an. »Keine Granaten?«
»Ha, ha! Sehr komisch.«
»Du mußt hier verschwinden.«
»Ich bin noch nicht fertig.«
»Doch, bist du«, widersprach
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