Aller Heiligen Fluch
sich sichtlich. Es wird ihr guttun, etwas Verantwortung zu übernehmen, und Henty kann sie im Auge behalten. Als Nächstes kommt Nelson auf das Smith-Museum zu sprechen und schildert kurz, was sich am Samstag dort abgespielt hat. Er gibt sich Mühe, so neutral wie möglich zu bleiben, merkt aber gleich, wie seine Leute aufhorchen.
«Gab es klare Hinweise auf einen Einbruch?», fragt Tanya.
«Nichts Eindeutiges. Ich werde eine Streife zur Anwohnerbefragung abkommandieren und abwarten, was die Spurensicherung findet. Johnson, können Sie den Kontakt halten?»
Tanya sieht enttäuscht drein, Judy unterdrückt ein Gähnen.
«Es kann also auch eine natürliche Todesursache sein», meint Clough und beißt in einen Marsriegel.
«Der Ansicht ist Stephenson. Der Tod ist durch eine Lungenblutung eingetreten.»
«Und woher kommt die?»
«Kann alle möglichen Ursachen haben, unter anderem einen Infekt oder Drogenkonsum.»
«Hat er denn Drogen genommen, dieser Museumsdirektor?»
«Seine Leiche zeigt Anzeichen von dauerhaftem Drogenkonsum. Und ich habe hundert Gramm Koks bei ihm im Büro gefunden.»
Clough pfeift anerkennend. «Das ist ’ne Menge Holz.»
«Glauben Sie denn, dass es ein natürlicher Tod war, Boss?», fragt Judy.
Nelson zögert kurz. «Höchstwahrscheinlich. Ein, zwei Dinge sind allerdings seltsam.» Er berichtet seinen Leuten von den Briefen. «Fuller, können Sie sich mal mit diesen Elginisten befassen? Finden Sie heraus, ob die was auf dem Kerbholz haben. Clough, wir beide statten Lord Smith noch einen Besuch ab.»
«Spitze», meint Clough zur allgemeinen Erheiterung. «Vielleicht kann ich ja einen Tipp fürs Grand National abgreifen.»
«Der Necromancer», sagt Nelson. «Der hat anscheinend eine Menge Stehvermögen.»
Als Ruth auf ihr Haus zufährt, liegt ein sonderbares Brummen in der Luft. Ist das ein Vogel, ein tieffliegendes Flugzeug oder der Hubschrauber der Küstenwache? Vielleicht ist es ja eine Rohrdommel, deren dunklen, durchdringenden Ruf sie manchmal nachts hört. Beim Gedanken an diese Vögel fällt ihr auch David ein, ihr früherer Nachbar, der Vogelschutzwart. David kannte das Salzmoor wie seine Westentasche, er konnte jede einzelne der mehreren hundert Vogelarten, denen das Feuchtgebiet als Rastplatz auf dem Flug nach Süden diente, am Ruf erkennen, er fand sich auch bei Dunkelheit zurecht, ohne in den Treibsand zu geraten, und hat Ruth sogar einmal das Leben gerettet. Doch David ist fort, und falls es einen neuen Vogelschutzwart geben sollte, ist er ihr noch nicht begegnet. Als sie jetzt näher kommt, entdeckt sie, dass die Quelle des Geräuschs Bob Woonunga ist, der vor seinem Haus im Gras sitzt und ein Instrument spielt, in dem Ruth aufgrund dunkler Erinnerungen an den BBC -Entertainer Rolf Harris ein Didgeridoo erkennt.
Sie parkt vor ihrem Haus und hebt Kate aus dem Kindersitz. Kate kann inzwischen laufen. Sie hat mit zehn Monaten damit angefangen, was der einschlägigen Literatur zufolge früh ist. Und so stolz Ruth auch ist, dass ihre Tochter diese Leistung so früh erbracht hat (mit zehn Monaten Laufen lernen = summa cum laude in Cambridge), kann sie sich doch des Gedankens nicht erwehren, dass es einfacher war, als sie Kate noch tragen konnte. Jetzt zappelt ihre Tochter ungeduldig, bis Ruth sie vom Arm lässt, und tapst dann zielsicher auf Bob und sein Didgeridoo zu. Ruth folgt ihr deutlich langsamer. Flint, der in Erwartung seines Abendessens vor Ruths Haustür hockt, springt einfach über den Zaun, ist dadurch als Erster bei dem neuen Nachbarn und streicht ihm zutraulich um die Beine.
«Haben», sagt Kate und deutet auf das Didgeridoo. Das ist eines ihrer neu erlernten Wörter.
Bob legt das lange Holzrohr beiseite und sagt: «Hallo, kleine Nachbarin. Als ich gestern deine Mum kennengelernt habe, hast du geschlafen.» Er streichelt Flint, der einen genießerischen Buckel macht. Ruth ist schockiert über die Treulosigkeit ihres Katers.
«Mum», sagt Kate und befühlt mit einer Hand das bemalte Holz des Didgeridoo. «Mummummum.»
«Schön aufpassen, Kate», sagt Ruth.
«Ach, das macht nichts.» Bobs Lächeln ist unwahrscheinlich breit. «Es ist gut, Dinge anzufassen. Nur so lernt man doch, nicht wahr?»
Da muss Ruth ihm zustimmen. Für Archäologen ist der Tastsinn besonders wichtig. Sie weiß noch, dass Erik durch bloßes Befühlen eines Steinwerkzeugs erkennen konnte, wie es gemacht war und wofür es verwendet wurde. Er schloss dann immer die Augen und fuhr mit
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