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Aller Heiligen Fluch

Aller Heiligen Fluch

Titel: Aller Heiligen Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elly Griffiths
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dem Daumen die scharfen Kanten des Feuersteins entlang. Eines Tages wird sie sicher aufhören, ständig an Erik zu denken.
    «Ist es schwer, das zu spielen?» Sie deutet auf das Didgeridoo.
    «Versuchen Sie’s.» Er lächelt wieder sein endloses Lächeln.
    Ruth setzt sich ins Gras und pustet wie verrückt, bringt aber nur eine Art klägliches Furzen zustande. Kate kichert begeistert.
    Bob übernimmt wieder und lässt einen wogenden, vibrierenden Ton hören, der hier draußen, umgeben von Wind und Himmel, merkwürdig stimmig wirkt.
    «Ich bin selbst kein sehr geübter Spieler», sagt er und legt das Instrument wieder ins Gras, «aber es ist eine Möglichkeit, den Kontakt zur Heimat zu halten.»
    «Wo ist denn Ihre Heimat?» Ruth setzt sich etwas bequemer hin. Es ist erstaunlich angenehm, an diesem milden Abend hier im Gras zu sitzen, als wäre es Sommer. Der Mond ist bereits aufgegangen, doch über dem Meer ist es noch hell, und die Wellen rauschen in silbergrauen Streifen heran. Über ihnen fliegen zwei Gänse dahin und lassen ihren klagenden Ruf ertönen.
    «Unsere Heimat liegt in der Traumzeit», sagt Bob, gibt dann aber lachend nach. «Ich stamme von den Noonuccal von Minjerribah ab, einer der beiden Inseln in der Moreton-Bucht. Sie dürfte Ihnen als North Stradbroke Island bekannt sein.»
    Das sagt Ruth alles nicht besonders viel; ihre einzige Verbindung zu Australien ist eine Freundin, die dorthin ausgewandert ist und ihr jedes Jahr nervige Weihnachtskarten schickt, die den Weihnachtsmann in Badehose zeigen. Die Inseln in der Moreton-Bucht klingen für sie so fremd und exotisch, als lägen sie in der Karibik und nicht im Land der Surfer, der Grillpartys und der guten Nachbarn, die gute Freunde werden.
    «Ich glaube, wir haben einen gemeinsamen Bekannten», sagt sie. «Cathbad.»
    «Cathbad. Ja. Er ist mein Bruder.»
    «Ihr Bruder?»
    «Im Geiste. Wir gehören zu einer Gruppe von Brüdern. Einer Gruppe von Gleichgesinnten.»
    «Den Elginisten?»
    Bob wirkt nicht weiter überrascht. «Richtig. Wir haben uns der Rückführung unserer Vorfahren verschrieben.»
    «Wie beispielsweise der Schädel aus dem Smith-Museum?»
    Ein Schatten fällt über Bobs Gesicht – vielleicht ist es aber auch nur das Abendlicht. In den letzten paar Minuten ist es merklich dunkler geworden. Kate klettert Ruth auf den Schoß und zupft versuchsweise an ihren Haaren. Flint hat sich wieder verzogen.
    «Richtig. Aber das sind nicht einfach nur Schädel. Es sind unsere Ahnen. Sie müssen in die Heimat ihrer Geister zurückkehren, um in die Traumzeit eingehen zu können.»
    Das entspricht in etwa dem, was auch Cathbad gesagt hat, doch hier, aus Bobs Mund, unter dem zunehmend dunkleren Himmel, klingt es sehr viel eindrucksvoller. Ruth fröstelt und drückt Kate fester an sich.
    «Sehen Sie nur.» Bob deutet zum Salzmoor hinüber. Das Meer ist nicht mehr zu sehen, doch man hört es immer noch, als unablässiges Rauschen in der Dämmerung. «Dieses Land ist heilig. Mein Volk glaubt daran, dass die Welt in der Traumzeit erschaffen wurde, als die Geister der Ahnen noch auf der Erde wandelten. Auch dieses Land hier wurde von der Regenbogenschlange erschaffen. Man kann noch sehen, wo sie entlanggeschlängelt ist und all die kleine Bäche und Flüsschen erschaffen hat. Deswegen fühle ich mich hier so zu Hause. Die Schlange ist das Totem meines Stammes. Wir müssen die Ahnen nach Hause holen, damit sie eins werden mit der Traumzeit. Für die Aborigines gibt es weder Leben noch Tod, weder Gestern noch Heute, es ist alles eins. Wir müssen unsere Ahnen bei uns haben, damit sie an diesem Einssein teilhaben können. Wir können sie nicht einfach im Museum eines dahergelaufenen Weißen vergammeln lassen.» Bei diesem letzten Satz grinst er, als wollte er sich selbst auf den Arm nehmen, doch Ruth lächelt nicht. Sie denkt an Cathbad, der vor so vielen Jahren verlangte, der Henge müsse im Salzmoor bleiben und dürfe auf keinen Fall ins Museum kommen. «Er gehört hierher», hat er gesagt, «hierher zwischen Erde und Himmel.» Kein Wunder, dass er mit Bob befreundet ist.
    «Aber will das Museum die … Ihre Ahnen denn nicht zurückgeben?», fragt sie vorsichtig, obwohl sie glaubt, die Antwort bereits zu kennen.
    «Nein.» Bobs Miene verdüstert sich noch mehr. «Ich sage Ihnen, Ruth, Lord Danforth Smith ist ein durch und durch schlechter Mensch.»
     
    Nelson sitzt am Schreibtisch und überlegt, ob es wohl schon Zeit zum Heimgehen ist. Draußen ist es

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