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Aller Heiligen Fluch

Aller Heiligen Fluch

Titel: Aller Heiligen Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elly Griffiths
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entlang.»
    Sie durchqueren das viktorianische Schreibzimmer, wo Lord Percival Smith starr am Schreibtisch sitzt, die wächserne Feder in der wächsernen Hand. Danforth Smith führt Ruth durch eine lange Galerie, in der die Porträts längst verstorbener Mitglieder der Familie Smith sie von oben herab beäugen. Die Tür zum Saal für Lokalgeschichte ist fest verschlossen. Smith bemerkt Ruths verstohlenen Blick.
    «Die Polizei ist mit dem Saal bereits durch. Es gibt nichts mehr zu sehen.» Doch er öffnet die Tür trotzdem nicht.
    Am Ende der Galerie liegt das Büro des Direktors, und gleich gegenüber befindet sich eine kleinere Tür, die Ruth beim ersten Mal nicht aufgefallen ist. Die öffnet Smith nun. «Hier geht es runter ins Magazin.»
    Die Treppe führt in einen Keller mit Backsteinwänden. Ruth hat sich in unterirdischen Räumen schon immer unwohl gefühlt, und seit den Vorfällen vor zwei Jahren hält sie es kaum noch darin aus. Je weiter sie nach unten kommt, desto stickiger und wärmer wird die Luft. Über ihren Köpfen schlängeln sich leise summende Heizungsrohre. Ruth atmet tief durch und versucht, sich wie ein Profi zu geben. Dies ist schließlich ein Museum und kein Kerker. Am Fuß der Treppe bleibt Danforth Smith unvermittelt stehen und kramt nach einem Schlüssel. Ruth kann nur knapp verhindern, dass sie gegen seinen tweedbedeckten Rücken prallt.
    «Ah, da ist er ja.»
    Vor ihnen befindet sich eine Rigipswand mit zwei Türen. Die linke davon schließt Danforth auf und tastet nach dem Lichtschalter. Widerwillig folgt ihm Ruth.
    Eine flackernde Neonröhre erhellt einen engen Raum mit unverputzten Wänden und Betonboden. Die Wände sind abgerundet und bilden einen Halbkreis, der von der Rigipswand entzweigeschnitten wird. An der geraden Wand stehen Metallregale und in den Fächern Pappkartons. Und auf jedem Karton steht nur ein einziges Wort: Knochen.
    Ein ganzes Zimmer voller Knochen.
    Ruth ist Expertin für Knochen; ihre Studenten haben ihr sogar einmal ein lebensgroßes Plastikskelett geschenkt. Sie hat Massengräber untersucht und prähistorische Leichen ausgegraben, doch so etwas hat auch sie noch nicht gesehen. Ganze Kartons voller Knochen, einfach in einem Kellerraum gestapelt. Kein Name, kein Datum, einfach nur «Knochen». Sie fragt sich, ob das alles Menschenknochen sind. Es müssen fünfzig, vielleicht auch sechzig Kartons sein.
    Erst jetzt merkt sie, dass Danforth wieder das Wort ergriffen hat; in seiner Stimme – Ruth kann es kaum fassen – schwingt Stolz mit.
    «Mein Urgroßvater war ein echtes Original. Er ist im neunzehnten Jahrhundert nach Australien gereist, mit den ersten Pionieren. Er war auf der Suche nach Gold. Wussten Sie, dass um 1850 auch in Australien Gold entdeckt wurde? Mein Urgroßopa hat ein Goldbergwerk in New South Wales gegründet. Wegen dem Land gab es ein paar Scharmützel mit den alteingesessenen Abos, aber er war wohl ein zäher Knochen, denn er hat sich durchgesetzt und ein Vermögen gemacht. Um 1870 kam er nach England zurück, aber da war er schon nicht mehr der Alte. Mein Vater hat ihn immer als sehr wunderlich beschrieben. Seine Sammlung hat er mit hierhergebracht, weiß der Himmel, wie er das angestellt hat. Es sind großartige Stücke dabei. Manche stellen wir auch im Museum aus: Schlangenhäute, Dingofallen, Brandeisen, von Strafgefangenen behauene Backsteine.»
    Urgroßopa, denkt Ruth, das muss dann wohl Lord Percival Smith sein, Abenteurer und Tierpräparator. Offensichtlich ging seine Sammellust über das bloße Abschlachten und Ausstopfen heimischer Wildtiere hinaus. Sie hat also recht gehabt mit dem Eindruck, dass mit ihm nicht zu spaßen ist.
    «Woher stammen die Knochen?», fragt sie. Ihr Unwohlsein wächst. Es bleibt nur wenig Platz neben den Regalen und den Kartons, und Danforth Smith nimmt viel zu viel Raum ein. Er muss unter der gewölbten Decke den Kopf einziehen. Ruth sieht die Schweißperlen auf seiner Stirn. Es ist sehr heiß, ein leichter Gasgeruch erfüllt den Kellerraum.
    «Sie sind alle von Aborigines. Auch die Schädel. Ich vermute, der alte Herr war der Meinung, dass die Abos anders gebaut sind als wir, dass sie direkt von den Höhlenmenschen abstammen oder so. Deshalb hat er angefangen, Knochen zu sammeln. Es müssen mehrere hundert sein.»
    Ruth schüttelt den Kopf. Als Expertin für Frühgeschichte hat sie große Vorbehalte gegen den Begriff «Höhlenmenschen», doch das gerät in den Hintergrund angesichts der aberwitzigen

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