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Aller Heiligen Fluch

Aller Heiligen Fluch

Titel: Aller Heiligen Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elly Griffiths
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verschlossen. Vielleicht hängt das ja mit der Anstrengung zusammen, ein Gewicht unter 63  Kilo zu halten. Richtig erschüttert wirkt nur Lester, der Kater, der jämmerlich maunzend im Büro hockt. Als Nelson über den Hof auf das Haus zugeht, folgt Lester ihm.
    Diesmal klopft Nelson an die Haustür, die sofort von Randolph geöffnet wird. Auch er wirkt erschüttert, das muss ihm Nelson zugutehalten: Er hat rote Augen und wirkt sehr aus der Fassung, fährt sich mit der Hand durchs Haar und redet zusammenhanglos vor sich hin. «Detective … ähm … gut, dass Sie da sind … wir sind alle … ähm … also … Sie können sich ja denken … ja …»
    Nelson folgt dem weiterhin stammelnden Randolph in ein großes, helles Wohnzimmer. Dort sitzen zwei Frauen auf einem riesigen Ledersofa, auf dem sie ziemlich verloren wirken. In der einen erkennt Nelson Caroline, die andere ist schlank und hat kurzes graues Haar. Vermutlich die Ehefrau.
    «Mein Beileid», sagt er förmlich. «Fühlen Sie sich in der Lage, mit mir zu reden?» Wenn Judy Johnson bloß schon da wäre! Er hat sie gebeten, so schnell wie möglich nachzukommen.
    «Sicher», sagt die ältere Frau, die sich als Romilly Smith, Danforths Frau, vorstellt. «Es ist einfach so ein fürchterlicher Schock. Ich bin eben erst aus dem Krankenhaus zurück.»
    «Ist Ihr Mann in der Nacht erkrankt?»
    «Es kam so plötzlich», sagt Romilly. Nelson schätzt sie um die sechzig, doch sie besitzt immer noch große Anziehungskraft. Eine Frau, die selbstbewusst genug ist, sich nicht die Haare zu färben. Sie ist zwar erschüttert und hält mit einer Hand ein Taschentuch umklammert, wirkt aber dennoch sehr beherrscht. «Gestern schien es ihm noch gutzugehen», sagt sie. «Er hat die ganze Zeit von der Sargöffnung geredet, dass das Skelett darin von einer Frau stammt. Das fand er faszinierend.»
    Randolph, der sich gerade einen Whisky einschenkt, lacht unvermittelt auf.
    «Ist es dafür nicht noch ein bisschen früh?» Seine Mutter deutet auf das Glas.
    «Ich stehe unter Schock, Ma.»
    «Wir stehen alle unter Schock», faucht Caroline. Auch sie wirkt tief erschüttert. Sie hat sich das dunkle Haar zum Knoten gesteckt, was sie älter aussehen lässt, aber auch um einiges schöner.
    «Dann war Lord Smith gestern also gar nicht unpässlich?» Nelson nimmt in einem butterweichen Sessel Platz, der ihn förmlich verschlingt.
    «Nein. Er war ganz wie immer», sagt Romilly. «Wir haben zusammen zu Abend gegessen, er hat mir von dem Bischofssarg erzählt und wie sehr ihn Ihre Kollegin Doktor Galloway beeindruckt hat, und gegen zehn hat er sich verabschiedet. Er geht immer früh schlafen, weil er ja auch so früh aufsteht. Ich bin noch aufgeblieben, habe die Nachrichten und
Newsnight
gesehen, danach bin ich auch ins Bett gegangen. Gegen halb zwölf bin ich aufgewacht, weil Dan rief …» Sie bricht ab.
    «Was rief er denn?», fragt Nelson nach.
    Romilly Smith holt tief Luft und drückt das Taschentuch an die Augen. Caroline tätschelt ihr ein wenig ungelenk den Arm.
    «Ich habe ihn irgendetwas rufen hören. Ich bin in sein Zimmer gegangen, da hatte er offensichtlich einen ganz fürchterlichen Albtraum. Er war schweißgebadet und hatte die Augen weit aufgerissen, schien aber nichts zu sehen.»
    «Hat er etwas gesagt? Etwas, was Sie verstanden haben?»
    «Er hat von einer Kutsche und Pferden geredet. Erst hinterher ist mir klargeworden, was er damit gemeint haben muss. Als Kind hatte Dan ein irisches Kindermädchen, Niamh hieß sie. Sie hört sich nach einer echten Schreckschraube an, aber er hat sie heiß geliebt. Und sie hat immer von einer schwarzen Kutsche erzählt, die die Leute holen kommt, wenn sie sterben. Sie wird von sechs schwarzen Pferden gezogen, und der Kutscher hat keinen Kopf.»
    «Die Todeskutsche», sagt Caroline. «Der schwarze Kutscher klopft dreimal an die Tür, und dem, der ihm öffnet, schüttet er einen Eimer Blut ins Gesicht.»
    «Ich dachte, in der Kutsche sitzt eine Todesfee», lässt sich Randolph von der Hausbar her vernehmen. «Wenn man ihre Stimme hört, weiß man, dass die Zeit gekommen ist.»
    «Dann kennen Sie die Geschichte also auch?», fragt Nelson.
    «Dad hat sie uns immer erzählt», sagt Caroline. «Vor dem Einschlafen.» Originell, denkt Nelson. Es geht doch nichts über Todesfeen und einen Eimer Blut, damit die Kinder friedlich einschlafen. Wie gut, dass er selber nur ein schlichter Mittelschichtsvater war und sich auf
Pu der Bär
beschränkt

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