Allerliebste Schwester
noch erlaubt sein«, fügt sie hinzu.
Er hebt abwehrend die Hände. »Verzeihung, ich frage ja nur, weil ich dachte, dass du müde bist.«
»Bin ich auch.«
»Dann hättest du schlafen sollen.«
»Ich werde noch genug schlafen können, wenn ich erst mal unter der Erde bin.« Wütend knallt sie das Buch auf ihren Nachttisch, steht auf und will an Tobias vorbei marschieren.
»He!« Lachend ergreift er ihren Arm. »Es war doch bisher ein wirklich netter Tag, wollen wir jetzt miteinander streiten?«
»Nein.«
»Tut mir leid«, sagt er, »ich wollte dich nicht verärgern.«
Eva seufzt. »Das hast du auch nicht, es ist meine Schuld.«
»Na ja«, antwortet er, »ist ja nicht so schlimm. Frieden?«
»Frieden.«
»Dann können wir nach Hause fahren, ich denke, für diesmal sind wir lange genug hier gewesen.« Sie folgt ihm die Treppe hinunter. Sie verabschieden sich von ihren Eltern, bedanken sich noch einmal für das gute Essen, bevor sie ins Auto steigen. Zum Abschied drückt Tobias dreimal auf die Hupe.
12
Als Eva am Morgen darauf erwacht, hört sie, dass Tobias bereits im Badezimmer duscht. Überrascht sieht sie auf den Wecker, schon halb elf, sie hat geschlafen wie ein Stein. Der Vortag scheint sie doch mehr angestrengt zu haben, als sie dachte. Erst will sie schnell aufspringen, da fällt ihr ein, dass ihr Plan ein anderer ist. Sie rutscht noch etwas tiefer ins Bett, wickelt die Decke fest um sich und wartet, dass Tobias ins Zimmer kommt. Knapp zehn Minuten später öffnet sich die Tür zum Bad, ihr Mann hat ein Handtuch um die Hüften geschwungen, seine Haare schimmern feucht.
»Guten Morgen, Schatz«, sagt er, beugt sich zu ihr hinunter und gibt ihr wie immer einen Kuss. »Du hast ja geschlafen wie ein Murmeltier, ich dachte schon, du wachst gar nicht mehr auf.« Etwas schwerfällig setzt Eva sich auf, hustet leicht und hofft, dass sie überzeugend klingt. Doch Tobias spricht weiter, bevor sie überhaupt etwas sagen kann. »Ich habe im Golfclub angerufen und für heute abgesagt.«
Jetzt muss Eva wirklich husten. »Du hast die Probestunden
abgesagt?«, krächzt sie. Mit einem Schlag wird ihr heiß und kalt.
»Hab’s auf nächsten Sonntag verlegt.«
»Warum?« Nein. Das darf nicht sein. Sie hatte doch alles so gut durchdacht. Eine kleine Erkältung, nicht weiter schlimm, Liebling, fahr einfach ohne mich, ich komm schon klar und bleibe den Tag im Bett, damit’s nicht schlimmer wird.
Wut steigt in ihr auf, Wut auf sich selbst. Es war der kleine Streit bei ihren Eltern, mit Sicherheit. Warum hat sie sich nicht zusammenreißen können, das muss sein Misstrauen aufs Neue geweckt haben, sie, Eva, hat ihm das Gefühl gegeben, immer noch nicht stabil zu sein. Und eine Auseinandersetzung im Golfclub, in Gegenwart von anderen Menschen, noch dazu gleich beim ersten Mal, ist todsicher nichts, was Tobias erleben möchte.
»Es tut mir leid«, sagt er und setzt sich zu Eva ans Bett, den Blick voller Bedauern, »ich habe vor einer Stunde mit Martin telefoniert.«
»Mit Martin?« Tobias’ Geschäftspartner. »Ja, es gibt da ziemliche Probleme mit einem Projekt. Das Team brütet schon seit Tagen über einer Lösung und kommt nicht voran, eigentlich hätte ich mich da viel mehr mit reinknien müssen. Und morgen Nachmittag ist die Präsentation beim Kunden, das Ding dürfen wir auf gar keinen Fall gegen die Wand fahren, der Etat ist einfach viel zu wichtig für uns.« Er hebt entschuldigend die Hände. »So wie es aussieht, muss ich heute in die Agentur.«
»Oh.«
»Ich habe wirklich alles versucht, Schatz«, fährt Tobias fort, um Evas vermeintliche Enttäuschung zu mindern. »Aber Martin besteht darauf. Und, na ja, ich kann ihn auch verstehen, er hat natürlich recht, dass ich jetzt vor Ort sein muss, ich war in den letzten Wochen ja wirklich -«
»Kein Problem«, sagt Eva schnell. »Also, natürlich ist es schade, aber der Golfplatz läuft uns ja nicht weg, da können wir nächste Woche auch noch hin.«
»Trotzdem lasse ich dich am Sonntag nur ungern allein. Das ist doch unser Tag!« Eva, ganz die verständnisvolle Ehefrau, schenkt ihm ein liebenswürdiges Lächeln.
»Aber die Firma geht vor«, stellt sie fest, »und die hast du in letzter Zeit vielleicht wirklich etwas vernachlässigt.« Sie streckt die Arme nach ihm aus, er nimmt ihre Hände, Eva zieht ihn an sich heran. »Wirklich, Schatz«, bekräftigt sie zwischen zwei Küssen, »es ist gar nicht schlimm.«
»Hm«, murmelt er und lässt seine Lippen
Weitere Kostenlose Bücher