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Allerliebste Schwester

Titel: Allerliebste Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wiebke Lorenz
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zusammen, sie werden sie nicht dazu bringen, das Gift zu schlucken, nur über ihre Leiche, ha, was für ein passender Vergleich!
    »Verdammt noch mal!« Jetzt flippt er aus, der Herr Schwiegerpapa, und springt vom Bett auf. »Ich habe dir von Anfang an gesagt, du sollst diese Frau nicht heiraten, das hat keinen Sinn! Und jetzt? Jetzt siehst du, was du davon hast!« Dann marschiert er wütend aus
dem Schlafzimmer und donnert die Tür hinter sich ins Schloss
    »Warum tust du das?« Tobias bleibt, will seiner Frau über den Kopf streichen, aber sie zuckt vor seiner Hand zurück. »Du musst doch wissen, dass wir es nur gut mit dir meinen.«
    »Glaub ihm kein Wort!« Na endlich, das wurde aber auch Zeit! Marlene meldet sich wieder, allerdings immer noch unsichtbar. »Und schluck auf keinen Fall, was sie dir geben wollen, hörst du, auf keinen Fall!«
    »Keine Sorge«, sagt Eva, »das habe ich nicht vor.«
    »Sprichst du wieder mit Marlene?«, will Tobias wissen. Sie wird diese Frage ebenso wenig beantworten, wie sie die Tablette nehmen wird. »Eva, sie ist nicht da! Das, was in deinem Kopf passiert, ist nicht real, du bist krank, wir wollen dir doch nur helfen!«
    Wird sich noch zeigen, wer hier krank ist, denkt sie.
    Die Tür zum Schlafzimmer fliegt wieder auf, Rolf platzt herein, grimmiger Gesichtsausdruck, eine Injektionsspritze in der Hand. Für einen kurzen Moment fühlt Eva sich wie in einem Alptraum gefangen, so unwillklich erscheint ihr das, was hier gerade passiert.
    »Halt sie fest!«, befiehlt er seinem Sohn. Vor Schreck rutscht Eva ein Stück im Bett hoch, presst sich gegen die Rückenlehne, winkelt die Beine an, versucht, so viel Abstand wie möglich zwischen sich und ihre Angreifer zu bringen. Mit einer Spritze hatte sie nicht gerechnet.
    »Ist das denn nötig?«, will Tobias von seinem Vater wissen.
    »Das oder zurück in die Klinik, das kannst du dir
aussuchen.« Die Angst greift nach Eva wie eine kalte Hand, sie haben sie in die Enge getrieben.
    »Nein«, gibt Tobias seinem Vater heftig zurück, »auf keinen Fall soll sie ins Krankenhaus, wir können uns doch auch hier um sie kümmern!«
    »Dann wirst du sie festhalten müssen«, wiederholt der Vater, »du siehst ja, dass sie von allein nicht vernünftig ist.«
    »Nimm die Tablette!«, weist Marlene ihre Schwester an. »Nimm sie und versuch, sie nicht runterzuschlucken! Auf keinen Fall schlucken, hörst du, sonst wirst du nie erfahren, was die Wahrheit ist!«
    »Ich nehme sie«, ruft Eva aus. »Gebt mir die Pille, ich bin einverstanden!«
    »Na also«, findet Rolf, »warum denn nicht gleich so? Als würden wir nicht wissen, was am besten für dich ist, ich bin schließlich Arzt.« Er tritt ans Bett, hält Eva die kleine, blaue Tablette unter die Nase. Sie nimmt sie entgegen, steckt sie in den Mund, will sie in einer Backentasche verschwinden lassen mit dem festen Vorsatz, sie später - wenn sie vielleicht einmal zur Toilette muss - wieder auszuspucken. Entsetzt muss sie feststellen, dass ihre Rechnung nicht aufgeht. Kaum hat sie die Pille im Mund, zerfällt sie wie von selbst, löst sich einfach auf ihrer Zunge auf. Und jetzt, stellt sie Marlene ihre stumme Frage. Muss ich jetzt sterben?
    »Wer weiß?«, hört sie ihre Schwester sagen.

19
    Eva ist nicht gestorben. Jedenfalls ist nicht alles weiß, als sie das nächste Mal aufwacht. Sie liegt noch immer in Tobias’ und ihrem Bett im Schlafzimmer, allerdings ist es draußen vor den Fenstern mittlerweile dunkel geworden. Ist inzwischen nur ein Tag vergangen? Oder mehrere?
    Sie setzt sich mühsam auf, erst jetzt bemerkt sie das leise Murmeln im Raum. Tobias und sein Vater sind ebenfalls noch da, haben die zwei Korbsessel, die sonst in jeweils einer Ecke des Zimmers stehen, zusammengerückt, sitzen darin und unterhalten sich.
    »Eva.« Tobias bemerkt als Erster, dass sie wach ist, steht auf, setzt sich zu ihr und nimmt ihre Hand. Warm fühlt sich das an, ganz warm. So wie auch in Eva alles ganz warm ist. Warm und weich, sie ist völlig entspannt, irgendwie wattig und ein bisschen müde vielleicht, aber gar nicht schlecht, wie sich das anfühlt. Ruhig. Egal. Gleichgültig und leicht. Sie ist ein leichtes Mädchen geworden. »Wie geht es dir?«, will ihr Mann wissen.
    »Etwas müde«, erwidert Eva.

    »Soll sie noch ein bisschen schlafen?« Tobias richtet diese Frage an seinen Vater. Der nickt.
    »Ja«, sagt er, »sie braucht jetzt so viel Ruhe wie möglich. Du übrigens auch.«
    »Ich schlafe hier bei ihr.«

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