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Alles auf Anfang Marie - Roman

Alles auf Anfang Marie - Roman

Titel: Alles auf Anfang Marie - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Schroeder
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er mich mit Kevin hereinkommen sah. »Deine Männer werden auch immer jünger.« So ein Scherzkeks!
    »Sag es nicht Henning«, erwiderte ich. »Martin, wir brauchen deine Hilfe. Dieser junge Mann hat Läuse, und die müssen wir zuverlässig loswerden.«
    Zum Glück machte er dazu keine Scherze mehr, sondern wurde ganz professionell. Da gab es ein wirksames Shampoo und einen ganz engzinkigen Spezialkamm, mit dem man die Nissen entfernen konnte, und er zeigte mir sogar an einem etwas widerstrebenden Kevin, wie die aussahen. Aber spätestens als er mir erklärte, dass dieses Shampoo nicht nur einmal, sondern mehrfach angewendet werden musste, war mir klar, dass ich aus dieser Nummer noch lange nicht wieder raus war.
    »Wenn man wirklich sichergehen möchte«, sagte er als Nächstes, »sollte man alle Kleidungsstücke waschen. Und was man nicht waschen kann, für einen Tag in einer Plastiktüte in die Gefriertruhe tun.«
    »Habt ihr eine Gefriertruhe?«, fragte ich Kevin, aber eigentlich kannte ich die Antwort schon. Verwundert schüttelte er den Kopf.
    Oje, auf was hatte ich mich da eingelassen! Ich kaufte Shampoo und Nissenkamm und fuhr mit dem Kind zu mir. »Jetzt waschen wir dir bei mir die Haare«, erklärte ich ihm. »Dann musst du zwar morgen noch zu Hause bleiben, aber am Samstag komme ich und hole dich ab, damit wir das noch mal machen können. Und dann kannst du nächste Woche wieder in den Kindergarten gehen.«
    Ich glaube, diese Aussicht munterte ihn so auf, dass er die ganze Prozedur mit wenig Gegenwehr über sich ergehen ließ. Ich dagegen ärgerte mich, dass ich nichtauch saubere Sachen für ihn mitgenommen hatte, denn dann hätte ich ihn gleich komplett unter die Dusche gestellt   – er hatte es bitter nötig. Gedanklich verschob ich diese Aktion auf Samstag. Ich war mir ziemlich sicher, dass seine Mutter ihn nicht zwischendurch grundreinigen würde.
    Schließlich hatten wir das Ganze hinter uns gebracht. Seine Kopfhaut war bei meiner abschließenden Untersuchung läuse- und nissenfrei, aber stark gerötet. »Tut das weh?«, fragte ich ihn.
    »Es brennt ein bisschen«, sagte er tapfer.
    »Hast du Hunger?« Eigentlich hatte ich ihn gleich wieder zurückfahren wollen, aber das brachte ich nicht fertig. Ich hatte das Bedürfnis, ihm noch irgendetwas Gutes zu tun.
    Natürlich hatte er Hunger. Das haben Kinder in dem Alter doch sowieso, und eins, dessen Mutter momentan nicht kochen kann, erst recht. Ich setzte ihn in der Küche an den Tisch und machte ihm die Reste vom Mittagessen warm. Nudeln und Geschnetzteltes verspeiste er ohne Widerspruch, nur im Gemüse stocherte er kritisch herum.
    »Was is das?«
    »Zucchini. Gibt’s das bei euch auch?«
    »Weiß nich.« Er untersuchte es genauer. »Sieht aus wie die Sachen, die im Hamburger drin sind.«
    Das konnten ja nur Gurken sein. »So ähnlich schmeckt es auch. Probier mal.«
    Er schob sich zaghaft ein wenig in den Mund. »Geht so.«
    Weil ich fand, dass ich nicht die Kinder anderer Leute zum Gemüseessen erziehen musste, spendierte ich ihm stattdessen noch ein Eis aus der Kühltruhe und brachte ihn dann nach Hause. »Also, vergiss nicht, deiner Mamazu sagen, dass ich dich Samstag um elf noch mal abhole! Dann müssen wir die Haare wieder waschen.«
    Er nickte eifrig und rannte hinters Haus. Und ich fuhr nach Hause, um das Badezimmer sauberzumachen, bevor Henning vom Meeting zurückkam.
    Auf dem Badewannenrand lag noch die Baseballkappe. Sie hatte vorher schon etwas unerfreulich ausgesehen, aber jetzt war sie mir regelrecht unsympathisch. Ich nahm sie mit spitzen Fingern und warf sie in die Mülltonne, wobei ich mir die Frage stellte, wie das mit der restlichen Kleidung gehen sollte. Martin hatte mir schon ziemlich deutlich gesagt, dass bei Läusebefall eigentlich mehr getan werden musste, als nur die Haare zu behandeln. Und wenn ich daran dachte, ich welchem Zustand die Kleidungsstücke im Kleiderschrank zusammengestopft waren, dann konnte ich mir das als ein Paradies für Ungeziefer vorstellen.
    Andererseits war das nicht meine Familie. Ich hatte keinen Auftrag, dort etwas zu tun, und bisher war von Frau Nowakowski auch keine überschwängliche Dankbarkeit für meine Leistungen gezeigt worden. Aber ging es nur darum? Es war ja nun wirklich nicht so schlimm für mich, hier mal auszuhelfen.
    Ich fühlte mich zwischen all diesen Gedanken hin- und hergerissen und wartete nur darauf, dass Henning endlich nach Hause kam und ich das mit ihm mal besprechen konnte.

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