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Alles auf Anfang Marie - Roman

Alles auf Anfang Marie - Roman

Titel: Alles auf Anfang Marie - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Schroeder
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Inzwischen hatte ich genug Zeug, um einen großen Wäschekorb zu füllen. Als ich den die Gittertreppe hinaufgehievt und durch den langen Flur geschleppt hatte, fühlte ich mich auch so erschöpft, als wäre ich heute aus China zurückgekommen.
    Bei Nowakowskis hatte sich nichts geändert. Die Mutter lag weiterhin auf dem Sofa, trank Eistee aus einer großen PE T-Flasche und sah eine Sendung im Fernsehen, in der Leute sich Wohnungen anschauten. Die Kinder waren nicht da, ich hatte aber beim Ankommen den Eindruck gehabt, ich hätte eine ganze Horde am Ende der Straße gesehen. Vielleicht waren sie dabei.
    »Hallo!«, keuchte ich etwas außer Atem. »Ich habe Ihre Wäsche gewaschen. Ich gehe rasch und ziehe sie wieder auf.«
    »Super«, sagte sie.
    Ich zerrte meinen Wäschekorb in das Kinderzimmer, wo ich Kevin tränenüberströmt mitten in dem unbezogenen Bettzeug des unteren Stockbetts vorfand.
    »Nanu?«, fragte ich erschrocken. »Was ist denn mit dir los?«
    »Ich darf nich mehr in den Kindergarten gehen«, schluchzte er.
    »So ist das«, versuchte ich ihm zu erklären. »Du kommst doch in ein paar Wochen in die Schule.«
    »Nein, ich darf schon morgen nich mehr«, berichtete er heulend. »Wegen der Mäuse.«
    »Mäuse? Gibt es Mäuse im Kindergarten?«
    »Weiß ich nich!«, weinte er. »Die haben einen Brief geschrieben.«
    »Nun komm mal erst da raus«, sagte ich. »Ich will nämlich dein Bett beziehen.«
    Es war nicht so ganz einfach, das zu tun, weil der Raum sowieso total eng war und nun auch noch Kevin im Weg stand. Als ich die Betten bezogen, die restliche Wäsche einigermaßen im Schrank verstaut und dabei Kevin die ganze Zeit über die Mäuse hatte jammern hören, war ich ziemlich fertig.
    »Was gibt es denn für ein Problem im Kindergarten?«, fragte ich seine Mutter schließlich.
    »Hier!«, sagte sie lakonisch und reichte mir einen fotokopierten Zettel. Darauf stand, dass man bei Kevin und einigen anderen Kindern Kopfläuse festgestellt hätte und darum bitte, sie bis nach erfolgreicher Behandlung nicht mehr in den Kindergarten zu schicken, um eine weitere Verbreitung zu vermeiden.
    »Und was haben Sie unternommen?«, fragte ich schaudernd. Schon bei dem Gedanken an Läuse juckte es mich.
    »Unternommen? Was soll ich denn da unternehmen?«
    »Es gibt so ein Spezialshampoo«, sagte ich, aber im selben Augenblick war mir klar, dass es da mehrere Probleme gab: Frau Nowakowski konnte nicht weg, sie hatte kein Geld, und es gab kein warmes Wasser.
    Ich hatte nur zwei Möglichkeiten. Ich konnte die ganze Geschichte ignorieren und nach Hause fahren, um mich nie wieder bei dieser Familie blicken zu lassen. Oder ich konnte die Sache zu meiner Baustelle erklären. Ichschwankte einen kurzen Moment. Dann schluchzte Kevin noch mal herzerweichend auf.
    »Komm mal her«, sagte ich. »Jetzt putz dir erst mal die Nase.« Ich reichte ihm ein Papiertaschentuch aus meiner Handtasche. »Dann brauchen wir als Nächstes eine Mütze. Hast du irgendwo eine?«
    »Warum denn eine Mütze?«, wollte er wissen.
    »Damit die Läuse nicht abhauen können«, behauptete ich. »Wir wollen sie doch alle erwischen.« Die Wahrheit war, dass ich nicht wollte, dass er mein Auto infizierte, aber das mochte ich so nicht sagen. Ich sah auf die Uhr. »Wenn wir gleich losfahren, können wir es gerade noch schaffen, ehe die Apotheke zumacht.«
    Kevin zog los, eine Mütze suchen. »Ich nehme ihn mit zu mir und wasche ihm dort die Haare«, erklärte ich seiner Mutter. »Und dann bringe ich ihn wieder zurück. Ist das in Ordnung?«
    »Und dann kann er morgen wieder in den Kindergarten?«, fragte sie hoffnungsvoll.
    »Kommt darauf an, was der Apotheker sagt. Vielleicht muss man das mehrmals machen mit dem Shampoo.«
    Kevin kam mit einer Baseballkappe zurück, auf der »Schalke forever« stand und die ihm ein bisschen zu groß war. Aber ich ließ es durchgehen, Hauptsache, es befand sich irgendwas zwischen seinen Läusehaaren und meinem Autositz. »Dann mal los, junger Mann«, sagte ich und schob ihn zur Tür hinaus, um das Ganze so schnell wie möglich hinter mich zu bringen.
    Kevin sah entzückt mein Auto an. »Geil!«, befand er, vor allem, als ich das Verdeck aufmachte. Ich tat das nicht in erster Linie, um ihm zu imponieren, sondern weil ich es bevorzugte, dass etwas mehr Luft an uns kam. Kevin kratzte sich unter der Baseballkappe den Kopf. Ich registrierte es mit Schaudern.
    Martin war selber in der Apotheke, als wir kamen. »Nanu?«, sagte er, als

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