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Alles auf Anfang Marie - Roman

Alles auf Anfang Marie - Roman

Titel: Alles auf Anfang Marie - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Schroeder
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während Gonzalez sich noch einen Moment umsah. Ich fragte mich, was er über unser Wohnzimmer dachte   – ob er den Unterschied zwischen unserer sorgfältig durchdachten Einrichtung und der schrecklichen Unordnung empfand, die bei ihnen zu Hause herrschte.
    »Weißt du was, Kevin?«, sagte ich. »Wir könnten das ja gleich noch nachholen mit den Haaren, damit morgen im Kindergarten alles in Ordnung ist.«
    Er sah nicht begeistert aus, widersprach aber auch nicht. »Deswegen wollten wir was fragen«, sagte Gonzalez. »Weil der Kevin meine Schalke-Kappe hiergelassen hat.«
    »Diese alte Kappe?« Ich ahnte Übles. »Du, die habe ich weggeschmissen. Die war schon so dreckig, und dann hatte Kevin sie auf wegen der Läuse und   …«
    »Aber das war meine!«, rief er bestürzt. »Die hat mir mein Papa geschenkt. Die hatte er selber auf, wenn er im Stadion war, als er noch hier gewohnt hat, und dann haben die immer gewonnen.«
    Henning und ich tauschten einen betretenen Blick. Wir wussten beide, dass am Freitag die Müllabfuhr hier gewesen und die Kappe unwiederbringlich verloren war.
    »Du, das wusste ich nicht«, beteuerte ich hilflos. »Die sah schon so alt aus, und   …«
    Gonzalez hatte Tränen in den Augen, und auch Kevin war ziemlich fassungslos. Beide hatten ihre Gläser noch nicht angerührt.
    »Das tut mir so leid!«, sagte ich. Aber das half jetzt nicht wirklich weiter. »Und wenn wir eine neue   …«
    »Das war die von meinem Papa«, wiederholte Gonzalez. »Das is eine Glücks-Kappe. Die haben immer gewonnen.«
    »Bist du denn auch Schalke-Fan?«, fragte Henning. Gonzalez nickte.
    »Und warst du schon mal im Stadion?«
    Gonzalez schüttelte den Kopf. »Mein Papa wollte mich mal mitnehmen, aber er wohnt nich mehr hier.«
    »Mein Papa wohnt wieder hier«, ergänzte Kevin. »Aber der is kein Schalke-Fan. Der hält für Bayern.«
    »Das is keine Kunst«, sagte Gonzalez verächtlich. »Für die hält jeder Doofmann.«
    Ich kannte mich nur oberflächlich mit Fußball aus, aber das hätte mich amüsiert, wenn ich nicht so unglücklich wegen dieser Kappe gewesen wäre. Natürlich hatte ich das nicht wissen können, aber jetzt hatte ich diesem armen Kerl etwas so Wichtiges genommen. Das war kaum wiedergutzumachen.
    Henning ging die Sache anders an. »Erzähl mal vondeinem Papa«, ermunterte er den Jungen. »War der oft auf Schalke?«
    »Nich so oft. Weil die Karten so teuer sind, hat er gesagt. Aber er hätte fast mal ein Trikot gefangen, als die das in die Zuschauer geschmissen haben. Das hätte er mir geschenkt, hat er gesagt. Aber er hat’s nich gefangen.«
    »Ich war neulich auch auf Schalke«, berichtete Henning. Ich blinzelte überrascht, weil ich das gar nicht wusste. »Ich habe einen Bekannten, der ist da im Aufsichtsrat. Der hat mich zu einem Heimspiel eingeladen. Wenn du willst, können wir uns davon ein paar Fotos anschauen, während Marie deinem Bruder die Haare wäscht.«
    »Cool«, sagte Gonzalez. Kevin hingegen sah nicht so begeistert aus. Ich konnte verstehen, dass er sich auch lieber Fußballfotos ansehen würde, als sich die Haare mit einem scharfen Läuseshampoo waschen zu lassen.
    »Wir machen ganz schnell«, versprach ich ihm und schummelte bei der Länge der Einwirkzeit, aber da ich bei meiner Inspektion keine Nissen mehr gefunden hatte, hielt ich das für vertretbar.
    Wir kamen ungefähr zeitgleich wieder im Wohnzimmer an, Henning und Gonzalez, der jetzt eine blau-weiße Anstecknadel an seinem T-Shirt trug, und ich mit Kevin. Gonzalez reichte seinem Bruder einen Schalke-Kuli. »Den kannst du haben«, sagte er großmütig. »Für dein Etui. Pass nur auf, dass sie dir den nicht gleich klauen.«
    Ich hatte gerade Kuchen aus der Küche geholt, weil ich mir vorstellen konnte, dass die beiden etwas zu essen nicht ausschlagen würden. (Im Endeffekt aß Gonzalez vier Stücke Marmorkuchen und Kevin drei.) »Genau, du hast ja bald Einschulung«, sagte ich zu Kevin. »Wann denn genau?«
    Kevin sah leicht ratlos aus. »Dienstag in zwei Wochen«,erklärte sein Bruder. »Er kommt in die Bären-Klasse von Frau Albrecht.«
    »Und hast du schon alles? Bücher und Hefte und einen Tornister?«
    »Weiß ich nich«, meinte er. »Tornister hab ich. Und ein Etui und einen Turnbeutel mit der Maus drauf. Aber ich hab keine Oma.«
    Henning furchte die Stirn. »Du hast keine Oma? Wozu braucht man die denn?«
    »Für wenn man eingeschult wird«, erklärte ihm das Kind. »Dann geht man in die Kirche und die Oma kommt

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