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Alles auf Anfang Marie - Roman

Alles auf Anfang Marie - Roman

Titel: Alles auf Anfang Marie - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Schroeder
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mit und macht Fotos. Aber wir haben keine Oma und auch keinen Opa und auch keine Tanten.«
    »Meine Oma wohnt in Spanien«, fügte Gonzalez hinzu. »Aber bei meiner Einschulung wohnte sie noch in Dortmund. Aber der Kevin hat keine Oma, und sein Vater hat gesagt, er kann auch nich.«
    O ja, ich erinnerte mich an diese Veranstaltungen, zu denen mittlerweile die gesamte Familie mitkam und hinterher je nach Stimmungslage feierte, als handelte es sich um wer weiß was für ein Jubiläum. Henning hatte bei beiden Kindern nicht gekonnt, aber seine wie auch meine Eltern waren immer vertreten gewesen.
    Kevin konnte einem schon leidtun. Keine Oma, keinen Vater, und es war noch nicht mal sicher, ob seine Mutter mitgehen konnte, wenn es ihr bis dahin nicht besser ging. Ich wagte noch nicht mal nach einer Schultüte zu fragen. Wer wusste denn, ob seine Mutter die besorgt hatte? Vielleicht hatte die Familienhelferin daran gedacht.
    Gonzalez fixierte mich mit großen Augen. »Vielleicht können Sie ja mitkommen«, schlug er vor.
    »Aber ich bin doch nicht mit Kevin verwandt«, stotterte ich.
    »Machen Sie sich keine Sorgen, das wird nich überprüft«,versicherte er mir treuherzig. »Aber wir könnten uns vom Hoffmeister die Kamera leihen, und dann machen Sie Fotos von Kevin wie die anderen Omas.«
    »Das macht der Hoffmeister nich«, gab Kevin zu bedenken.
    »Vielleicht doch«, sagte Gonzalez zuversichtlich. »Sie müssten ihn allerdings selber fragen, uns gibt er die bestimmt nich.«
    Na toll, jetzt sollte ich mit Kevin zur Einschulung gehen, mich als seine Oma ausgeben und mir dafür noch von Hannes eine Kamera leihen? Was würde den Nowakowski-Brüdern als Nächstes einfallen?
    »Dann brauchen wir aber auch ein Geschenk«, sagte Gonzalez mit großer Ernsthaftigkeit. Ich hatte noch nicht offiziell abgelehnt, also plante er schon mal die Details, damit alles auch wirklich glaubhaft wirkte. »Die Omas schenken den Kindern meistens was, zum Beispiel ein Freunde-Album oder so.«
    »Ein Freunde-Album?«, fragte Henning nach.
    »Wo alle Kinder aus der Klasse reinschreiben«, erklärte ihm Gonzalez. »Wie sie heißen und was sie am liebsten essen und wer ihr Lieblings-Star ist und so. Wir könnten Nualas Poesie-Album nehmen.«
    »Das will ich nich!«, begehrte Kevin auf. »Das is rosa mit Ponys drauf.«
    »Du musst es ja gar nich auspacken«, wies sein Bruder ihn zurecht. »Es is ja kein echtes Geschenk. Wir tun nur so.«
    »Wisst ihr, das mit dem Geschenk kann Marie selbst regeln«, sagte Henning. »Und eine Kamera haben wir auch.« Ich sah ihn überrascht an. Da hatte er ja quasi über meinen Kopf hinweg eine Zusage gemacht, während ich noch mit mir rang. Vermutlich taten ihm diese Knirpse genauso leid wie mir.
    Hoffnungsvoll sah Kevin mich an. »Das machst du?«
    Ich nickte huldvoll. »Wenn du möchtest. In welcher Kirche fängt es denn an und wann?«
    »Weiß ich nich.« Das war Kevin nicht so wichtig. »Aber du machst Fotos?«
    »Mache ich. Ich werde vorher noch mal mit deiner Mutter sprechen.«
    Beide Jungen nickten zufrieden. So hatte der Besuch bei uns doch noch einen Wert, auch wenn ich das mit der Kappe versiebt hatte.
    »Seid ihr denn satt?«, fragte Henning mit Blick auf die leere Kuchenplatte. Sie nickten wieder. »Dann fahre ich euch jetzt nach Hause. Es regnet ja immer noch wie aus Eimern.«
    »Was haben Sie denn für ein Auto?«, fragte Gonzalez.
    »Einen Mercedes.«
    »Der Hoffmeister hat auch einen Mercedes«, teilte Kevin ihm mit. »Aber der is schon ganz alt.«
    »Meiner ist neu«, sagte Henning. »Also los, Kameraden.« Er stand auf und nahm die beiden mit durch den Keller in die Garage. Dankbar sah ich ihm hinterher. Wenn ich bedachte, wie nachdrücklich er gegen diesen Kontakt gewesen war, hatten ihn die Kinder wohl auch gerührt. Wie gut hatten es unsere gehabt, eine intakte Familie, finanzielle Sicherheit, klare Verhältnisse. Diese beiden kannten etwas anderes: abwesende Väter mit unterschiedlichen Biografien, Abhängigkeit von Sozialhilfe, noch nicht mal eine Oma.
    Natürlich würde ich zu dieser Einschulung gehen. Wenn es schlecht lief, würde Kevins Mutter nicht teilnehmen können, und dann war es umso wichtiger, eine Pseudo-Oma zu haben, die wenigstens den Schein des Normal-Bürgerlichen wahren half.
    Ich griff nach meinem Block und machte ein paar Notizen.Auf alle Fälle würde Kevin eine Schultüte haben und ein Freunde-Album, und ich würde mit seiner Mutter klären, ob alle notwendigen Bücher und

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